I. Hintergrund der Regelung und Überblick
Rz. 30
§ 28a Abs. 1 Satz 1 ErbStG stellte drei Voraussetzungen auf, die erfüllt sein mussten, damit die Steuer auf das begünstigte Vermögen erlassen werden konnte (s. Rz. 4). Im Regelfall wird der Erlass einer Steuer ohne einen Widerrufsvorbehalt ausgesprochen. Dies ist auch sachgerecht, da es auf die Prüfung der Voraussetzungen zu einem bestimmten Zeitpunkt ankommt. Zudem ist der Widerruf eines Erlasses wirkungslos, weil er nur für die Zukunft ausgesprochen werden kann und die eigentliche Steuerschuld durch den Erlass selbst erloschen ist. Die Abgabenordnung sieht nur in ganz engen Grenzen die Rücknahme eines rechtswidrig gewährten Erlasses vor. Diese Ausnahmen sind in § 130 Abs. 2 AO geregelt. § 28a ErbStG sieht demgegenüber einen Erlass unter auflösenden Bedingungen vor. § 28a Abs. 4 Satz 1 ErbStG bestimmt hierzu sechs Voraussetzungen, die erfüllt sein müssen, damit der Steuererlass dauerhaft erhalten bleibt:
- Der Erwerber muss die Lohnsummenregelung des § 13a Abs. 3 ErbStG einhalten;
- der Erwerber darf nicht gegen die Behaltensregelung des § 13a Abs. 6 ErbStG verstoßen;
- der Erwerber darf nicht innerhalb von zehn Jahren nach dem Zeitpunkt der Entstehung der Steuer gem. §§ 11, 9 ErbStG weiteres Vermögen von Todes wegen oder durch Schenkung erwerben, das verfügbares Vermögen i.S.d. § 28a Abs. 2 ErbStG darstellt;
- es ergehen keine geänderten Feststellungen in anderen Bescheiden;
- die dem Erlass zugrunde liegende Steuerfestsetzung geändert wird nicht nachträglich geändert;
- das begünstigte Vermögen wird nicht auf Grund einer letztwilligen Verfügung weitergeleitet.
II. Lohnsummenregelung (Abs. 4 Satz 1 Nr. 1)
Rz. 31
Im Grundfall des § 13b Abs. 2 ErbStG i.V.m. § 13a Abs. 1 Satz 1 ErbStG (85 % des Betriebsvermögens steuerfrei) entfällt der Verschonungsabschlag anteilig, wenn die Summe der maßgebenden jährlichen Lohnsummen (§ 13a Abs. 3 Sätze 6 bis 9 ErbStG) innerhalb der fünf Jahre nach dem Erwerb (Lohnsummenfrist) die Mindestlohnsumme von 400 % der Ausgangslohnsumme unterschreitet, § 13a Abs. 3 Satz 1 ErbStG (Lohnsummenerfordernis). Die Mindestlohnsumme muss nicht eingehalten werden, wenn der Betrieb nicht mehr als fünf Beschäftigte hat oder die Ausgangslohnsumme 0 beträgt (§ 13a Abs. 3 Satz 3 ErbStG). Bei Betrieben mit mehr als fünf und nicht mehr als fünfzehn Beschäftigten gilt seit dem 30.6.2016 eine Mindestlohnsumme von 250 % bzw. 300 % (§ 13a Abs. 3 Satz 4 ErbStG). Bei der Optionslösung tritt an die Stelle der Lohnsummenfrist von fünf Jahren eine Lohnsummenfrist von sieben Jahren und an die Stelle der maßgebenden Lohnsumme von 400 % eine maßgebende Lohnsumme von 700 % (§ 13a Abs. 10 Satz 1 Nr. 2 und 3 ErbStG). Bei Betrieben mit mehr als fünf und nicht mehr als fünfzehn Beschäftigten gilt eine Mindestlohnsumme von 500 % (an Stelle von 250 %) bzw. 565 % (an Stelle von 300 %) (§ 13a Abs. 10 Satz 1 Nr. 4 und 5 ErbStG). Mit dieser sog. Arbeitsplatzklausel verfolgt der Gesetzgeber außerfiskalische Förderungs- und Lenkungsziele.
Rz. 32
Wie bei der Steuerbefreiung nach § 13a ErbStG dürfte es in der Tat konsequent sein – wie bei einem Erlass der Steuer auf begünstigtes Vermögen aufgrund der Verschonungsbedarfsprüfung –, dass auch der Erlass rückwirkend seine Wirkung (Erlöschen der Steuerschuld nach § 47 AO) verliert, soweit der Steuerschuldner die Lohnsummenbedingung nicht einhält. Während im Rahmen des § 13a ErbStG für die Regelverschonung die Lohnsummenfrist fünf Jahre und im Fall der Optionslösung sieben Jahre beträgt, hat sich der Gesetzgeber bei der Verschonungsbedarfsprüfung einheitlich für die längere, sieben Jahre dauernde Lohnsummenfrist entschieden, § 28a Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 ErbStG. Zu einer Differenzierung zwischen Regelverschonung und Optionslösung kommt es hier also nicht.
Rz. 33
Da der Steuerschuldner im Rahmen der Verschonungsbedarfsprüfung einen vollständigen Erlass der Steuer erreichen kann, hielt es der Gesetzgeber für angemessen, die Mindestlohnsumme bei einer Lohnsummenfrist von sieben Jahren nach § 13a Abs. 10 Nr. 3 bis 5 ErbStG entsprechend der Vollverschonung festzulegen, § 28a Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 ErbStG.
|
|
Verschonungsbedarfsprüfung |
Lohnsummenfrist |
|
Einheitlich 7 Jahre |
Mindestlohnsumme |
Bis zu 5 Beschäftigte |
Lohnsummenpflicht entfällt in allen Fällen |
|
Mehr als 5, nicht mehr als 10 Beschäftigte |
500% |
|
Mehr als 10, nicht mehr als 15 Beschäftigte |
565% |
|
Mehr als 15 Beschäftigte |
700% |
Rz. 34
Die Regelungen in § 13a Abs. 3 Satz 5 bis 13 ErbStG zur Ermittlung der Lohnsummen sind entsprechend anzuwenden.
III. Kein Verstoß gegen die Behaltensregelung des § 13a Abs. 6 ErbStG (Abs. 4 Satz 1 Nr. 2)
Rz. 35
Nach § 13a Abs. 6 ErbStG fallen der Verschonungsabschlag und der Abzugsbetrag mit Wirkung für die Vergangenheit weg, soweit innerhalb von fünf Jahren nach dem Zeitpunkt der Steuerentstehung (Behalten...