I. Objektiver Wert
Rz. 54
Der gemeine Wert ist nach der Begriffsbestimmung des § 9 Abs. 2 Satz 1 BewG der im gewöhnlichen Geschäftsverkehr für ein Wirtschaftsgut nach seiner Beschaffenheit unter Berücksichtigung aller den Preis beeinflussenden Umstände erzielbare Verkaufspreis, wobei ungewöhnliche oder persönliche Verhältnisse nicht zu berücksichtigen sind. Bei Leistungen, für die kein Marktpreis feststellbar ist, wird der angemessene Wert i.d.R. zwischen den Selbstkosten des Leistenden einerseits und den Kosten des Leistungsempfängers im Falle eigener Leistungserbringung liegen. Bereits § 138 Abs. 1 RAO enthielt eine Bestimmung des gemeinen Werts, der im Wesentlichen wortgleich mit § 9 Abs. 2 BewG ist. Veräußerungskosten sind bei der Wertermittlung im Allgemeinen unbeachtlich, da der gemeine Wert dem Veräußerungspreis und nicht dem aus der Veräußerung erzielbaren Gewinn entspricht. Ausgangspunkt jeder Bewertung ist ein gedachter potentieller Käufer, der an dem Erwerb des Wirtschaftsguts in seiner konkreten Beschaffenheit mit der vorgesehenen Verwertungsmöglichkeit interessiert ist und die Bereitschaft hat, einen angemessenen, dem inneren Wert entsprechenden Preis zu zahlen. Damit geht es in erster Linie um eine Wert- und nicht Preisermittlung. Während unter Preis ein Geldbetrag zu verstehen ist, der bei der Übertragung eines Wirtschaftsgutes konkret ausgehandelt und gezahlt wird, ist demgegenüber unter dem gemeinen Wert eines Wirtschaftsgutes ein im gewöhnlichen Geschäftsverkehr erzielbarer Preis zu verstehen. Das Abstellen auf den erzielbaren Preis dient einer Objektivierung der Bemessungsgröße, d.h. für die Ermittlung des gemeinen Werts können daher ausschließlich objektive Gesichtspunkte maßgeblich sein. Der gemeine Wert entspricht demnach ausschließlich dem objektiven Wert des Wirtschaftsgutes, den das Gut in Abhängigkeit von seiner Beschaffenheit für jeden an einem Kauf Interessierten bzw. am Kauf Beteiligten hat. Subjektive Verhältnisse können zwar den Preis, nicht jedoch den objektiven Wert beeinflussen. Der persönlichen Schätzung durch den Eigentümer oder sonstigen Verfügungsberechtigten kommt keine Bedeutung zu. Unerheblich ist auch, welchen Preis der Steuerpflichtige selbst erzielen könnte. Maßgeblich handelt es sich dabei um den Einzelveräußerungspreis, d.h. Mengenrabatte sind bei der Ermittlung des maßgeblichen Werts nicht zu berücksichtigen.
Rz. 55
Für die Ermittlung des gemeinen Werts ist ein bestimmtes Verfahren nicht vorgeschrieben. Es kommen grundsätzlich alle Bewertungsmethoden – Vergleichswertmethode, Ertragswertmethode oder Sachwertmethode – in Betracht. Zwischen den Methoden besteht eine durch § 9 Abs. 2 Satz 1 BewG inzident vorgegebene Rangfolge. Diese Rangfolge ist aufgrund des Erfordernisses einer für alle Steuerpflichtigen gleichmäßigen Wertermittlung einzuhalten. In erster Linie ist danach der gemeine Wert aus den für das zu bewertende Wirtschaftsgut erzielten Verkaufspreisen abzuleiten, soweit der Preis im gewöhnlichen Geschäftsverkehr nach der Beschaffenheit des Wirtschaftsgutes bei der Veräußerung zu erzielen war. Der Kaufpreis ist ein besonders wichtiger Anhaltspunkt für die Bemessung des Werts und es müssen erhebliche Gründe vorgetragen werden, wenn ein davon abweichender Wert angenommen werden soll. Liegen diese Voraussetzungen vor, ist der gemeine Preis dem gemeinen Wert gleichzusetzen. Nur wenn zwischen einem anderweitig ermittelten gemeinen Wert und dem vereinbarten Preis erhebliche Abweichungen bestehen, kann die Vermutung begründet sein, dass keine gewöhnlichen Verhältnisse bestanden haben. Ein Gegenbeweis kann dadurch erbracht werden, dass die den Verkaufspreis in ungewöhnlicher Weise beeinflussenden Umstände dargelegt werden. Gelingt dieser Beweis nicht, so ist eine anderweitige Feststellung des gemeinen Wertes unzulässig. Liegen keine beachtlichen Verkäufe des Wirtschaftsguts vor, kann der gemeine Wert auch aus Verkäufen vollständig oder nahezu vollständig vergleichbarer Wirtschaftsgüter abgeleitet werden. Im Zweifel kann das erkennende Gericht auch Gutachten bzw. Schätzungen sowohl durch einen Gutachter als auch die Finanzverwaltung zur Kontrolle seiner Beurteilung hinsichtlich eines Vergleichspreises als dem im gewöhnlichen Geschäftsverkehr gewöhnlicherweise gezahlten Preis heranziehen. Das zuständige Gericht ist verpflichtet, sich zum Ausgleich der fehlenden eigenen Kenntnisse eines Sachverständigen zu bedienen. Falls dies nicht erfolgt ist, kann dies einen Verfahrensmangel darstellen, der zur Aufhebung der Entscheidung durch den BFH führt.
Rz. 56
Hat ein Verkauf des zu bewertenden oder eines gleichartigen Wirtschaftsguts im gewöhnlichen Geschäftsverkehr nicht stattgefunden, so muss der Preis, der im gewöhnlichen Geschäftsverkehr für das Wirtschaftsgut nach seiner Beschaffenheit erzielbar wäre, unter Berücksichtigung aller den Preis beeinflussenden Umstände und unter Ausschaltung ungewöhnlicher od...