Prof. Dr. Franz Jürgen Marx
I. Konkurrierende Gesetzgebungskompetenz des Bundes
Rz. 45
Durch das Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes wurde die uneingeschränkte konkurrierende Gesetzgebungskompetenz des Bundes für die Grundsteuer in Art. 105 Abs. 2 Satz 1 GG explizit verankert. Nach Art. 72 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 GG wird den Ländern die Befugnis zur abweichenden Gesetzgebung über die Grundsteuer eingeräumt. Diese Regelungskompetenz ist umfassend, was in der Gesetzesbegründung wenig überzeugend mit der bisherigen Systematik bundeseinheitlicher Steuergegenstände und Bemessungsgrundlagen auf der einen und der Hebesatzautonomie der Gemeinden auf der anderen Seite bei Grund- und Gewerbesteuer gerechtfertigt wird. Tatsächlich verbirgt sich dahinter der politische Kompromiss, der die Grundsteuerreform Ende 2019 überhaupt erst ermöglichte. Durch die Grundgesetzänderung können die Länder künftig tätig werden, müssen es aber nicht. Das Ausmaß der Flexibilisierung ist nicht vorgegeben. Demgemäß könnte auch das Heberecht auf Länderebene ganz unterschiedlich gestaltet werden.
II. Gesetz zur Mobilisierung von baureifen Grundstücken für die Bebauung
Rz. 46
Mit dem Gesetz zur Änderung des Grundsteuergesetzes zur Mobilisierung von baureifen Grundstücken für die Bebauung v. 30.11.2019 hat der Gesetzgeber den Gemeinden die Möglichkeit der Festlegung eines erhöhten, einheitlichen Hebesatzes auf baureife Grundstücke gegeben. Die Grundsteuer ("Baulandsteuer") soll einen finanziellen Anreiz schaffen, die baureifen Grundstücke einer sachgerechten und sinnvollen Nutzung durch Bebauung zuzuführen und dem Einsatz von Grundstücken als Spekulationsobjekte entgegenwirken. Die Gemeinde kann nach § 25 Abs. 5 Satz 1 GrStG in Gebieten mit besonderem Wohnraumbedarf baureife Grundstücke als besondere Grundstücksgruppe innerhalb der unbebauten Grundstücke i.S.d. § 246 BewG bestimmen und für die Grundstücksgruppe der baureifen Grundstücke einen gesonderten Hebesatz festsetzen.
Rz. 47
Die Regelung ist erstmals bei der Hauptveranlagung auf den 1.1.2025 anzuwenden (§ 37 Abs. 3 GrStG). Übt die Gemeinde das Heberecht in dieser besonderen Weise aus, wird sich der Hebesatz baureifer Grundstücke deutlich vom Regelhebesatz unterscheiden müssen, damit die intendierte Wirkung eintritt und Bauland mobilisiert wird. Nichtfiskalische Zwecke dürfen nach § 3 Abs. 1 Halbs. 2 AO den Einnahmezweck der Besteuerung zurückdrängen. Ob die vom Gesetzgeber intendierten Lenkungsziele erreicht werden können, muss aber bezweifelt werden. Um als Korrekturmechanismus für ein Marktversagen wirksam zu sein, muss der Gegenstandsbereich exakt abgegrenzt werden. Das Gesetz erfasst infolge der Anknüpfung an § 246 BewG aber weder vollständig sog. "Schrottimmobilien" noch "mindergenutzte Immobilien". Die 1961 eingeführte und zum 1.1.1963 rückwirkend wieder aufgehobene Baulandsteuer, bei der die erhöhte Steuerbelastung durch eine vierfache Steuermesszahl und durch gesonderte Hebesätze zu beeinflussen war, verfehlte die intendierte Lenkungswirkung, führte nicht zu einer Vergrößerung des Grundstücksangebotes und war mit zahlreichen Rechtsstreitigkeiten verbunden. Das ist bei Inanspruchnahme der Option auch wieder zu erwarten.