Rz. 196
Gem. § 86 Abs. 4 BewG ist der nach dem tatsächlichen Alter errechnete Prozentsatz entsprechend zu mindern, wenn sich die restliche Lebensdauer eines Gebäudes infolge baulicher Maßnahmen verlängert hat. Generalreparaturen, die lediglich der Wiederherstellung des Normalzustandes dienen, sowie bauliche Maßnahmen an nicht tragenden Bauteilen (z.B. Neugestaltung der Fassade) können keine Verlängerung der ursprünglich angenommenen Lebensdauer bewirken. Abgrenzend dazu ist eine Verlängerung der gewöhnlichen Lebensdauer nur dann anzunehmen, wenn das Gebäude vollständig erneuert oder verbessert worden ist.
Rz. 197
Das Gesetz lässt an dieser Stelle offen, wie im Detail eine Minderung des Prozentsatzes vorzunehmen ist. Hierzu bestehen für die Berechnung des Sachwertes grundsätzlich zwei Methoden:
Beispiel 2
Bei einem Gebäude mit einer gewöhnlichen Lebensdauer von 80 Jahren beträgt der jährliche Wertminderungssatz 1,25 % (100/80). Ist das Gebäude im Hauptfeststellungszeitpunkt 30 Jahre alt, so sind im Regelfall nach § 86 Abs. 1 BewG 37,5 % (30 × 1,25 %) vom Gebäudenormherstellungswert abzusetzen.
Durch umfangreiche bauliche Erneuerungsarbeiten ist eine Verlängerung der Restlebensdauer von 20 Jahren eingetreten. Die vor diesem Hintergrund vorzunehmende Berechnung des Bewertungsabschlages kann wie folgt vorgenommen werden:
Methode 1: Die Wertminderung wird nach einem geringeren Alter im Hauptfeststellungszeitpunkt bei gleicher Lebensdauer berechnet
(30 Jahre – 20 Jahre) × 100 / 80 Jahre
- 10 Jahre × 100 / 80 Jahre
Prozentsatz: 12,5 %
Nach dieser Methode wird nicht, wie eigentlich anzunehmen, zur Berechnung des jährlichen Wertminderungssatzes die Gesamtlebenszeit erhöht – tatsächliches Alter im Hauptfeststellungszeitpunkt zuzüglich voraussichtliche erhöhte Restlebensdauer –, sondern vielmehr bleibt die unterstellte Lebensdauer und damit auch der jährliche Abschreibungssatz, unberührt. Die Verlängerung der Lebensdauer wird ausschließlich dadurch berücksichtigt, dass unter Beibehaltung des ursprünglichen jährlichen Abschreibungssatzes ein dem Ausmaß der baulichen Erneuerung entsprechendes, geringeres tatsächliches Alter bei der Hauptfeststellung zugrunde gelegt wird.
Methode 2: Der Wertminderung wird das tatsächliche Alter, aber eine erhöhte Lebensdauer zugrunde gelegt.
30 Jahre × 100 / (80 Jahre + 20 Jahre)
- 30 Jahre × 100 / 100 Jahre
- Prozentsatz: 30 %
Rz. 198
Die Finanzverwaltung wendet in ihrer Praxis Methode 1 an. Die Berechnung der Wertminderung wegen Alters im Falle der Verkürzung der gewöhnlichen Lebensdauer (vgl. Rz. 106 ff.) und die Berechnung im Falle der Verlängerung der restlichen Lebensdauer (vgl. Rz. 197) nach den Anweisungen in den BewRGr weichen voneinander ab. Die Gründe, warum die BewRGr im Falle der Verkürzung der Lebensdauer infolge Baumängel und Bauschäden von einer verkürzten Gesamtlebensdauer und Beibehaltung des tatsächlichen Lebensalters und im Falle der Verlängerung der restlichen Lebensdauer infolge baulicher Maßnahmen von der Beibehaltung der Gesamtlebensdauer, aber von einem geringeren Alter ausgehen, sind amtlich nicht erläutert. Ausgangspunkt ist dabei die Überlegung, dass bei baulichen Verbesserungen oder Erneuerungen eine "Verjüngung" des Gebäudes eintritt. Dadurch hat sich zwar das tatsächliche Alter des Gebäudes nicht verändert. Aber infolge der grundlegenden Veränderung des baulichen Zustands des Gebäudes entspricht dieses altersmäßig nicht mehr dem Alter nach der Zeit seiner Erbauung, sondern eher dem Alter aus der Zeit seiner durchgreifenden Erneuerung. Bei bestehenden Mängeln und Schäden dagegen entspricht der tatsächliche Wertverschleiß auch dem wirklichen Lebensalter des Gebäudes im Hauptfeststellungszeitpunkt. Nach dem Zustand des Gebäudes ist der Sachverhalt so anzusehen, dass das Gebäude bis zum Hauptfeststellungszeitpunkt auch den Wertverschleiß erlitten hat, der sich bei der verkürzten Gesamtlebensdauer entsprechend dem Alter ergibt.
Rz. 199
Die Auffassung der Finanzverwaltung entspricht jedoch nicht dem Wortlaut der Vorschrift. § 86 Abs. 4 BewG geht davon aus, dass im Anwendungsbereich dieser Vorschrift die restliche Lebensdauer eines Gebäudes infolge der baulichen Maßnahmen verlängert worden ist. Eine Verlängerung der restlichen Lebensdauer impliziert jedoch, dass jedenfalls die bisherige Lebensdauer als unverändert zu behandeln ist. Für eine "Verjüngung" des Gebäudes und damit eine Reduzierung der bisherigen Lebensdauer gibt der insoweit eindeutige Wortlaut des § 86 Abs. 4 BewG keine konkreten Anhaltspunkte. Im Übrigen kann diese Methode aufgrund der Reduzierung des Zählers im Einzelfall dazu führen, dass das Ergebnis 0 % bzw. negativ ist (im Beispielsfall – vgl. Rz. 197 –: Verlängerung der Restlebensdauer von 30 Jahren bzw. mehr als 30 Jahren). Daher ist richtigerweise Methode 2 der Vorzug zu geben. Für dieses Ergebnis spricht im Übrigen auch, dass die Verkürzung und Verlängerung der gewöhnlichen Lebensdauer eines G...