Dipl.-Finw. (FH) Wilfried Mannek
I. Typisierender Wert
Rz. 27
§ 138 Abs. 3 Satz 1 BewG i.d.F. vor dem Jahressteuergesetz 2007 bestimmte, dass die Grundstückswerte typisierende Werte sind, die von dem allgemeinen Wertniveau "gemeiner Wert" abweichen. Damit brachte das Bewertungsgesetz klar zum Ausdruck, dass die Grundstückswerte nicht darauf ausgerichtet sind, einen gemeinen Wert anzustreben, sondern einen pauschalierten Wert, der wegen der Typisierung mehr oder weniger vom gemeinen Wert abweichen kann. Aufgrund des angestrebten Wertniveaus von 50 % des Verkehrswerts bei bebauten Grundstücken ist es nicht verwunderlich, dass die Grundstückswerte mehr oder weniger von dem Verkehrswert abweichen. Auch die Finanzverwaltung sah das Wertniveau bei bebauten Grundstücken bei 50 % des Verkehrswerts. Denn für Zwecke der gemischten Schenkung ging sie aus Vereinfachungsgründen davon aus, dass der Verkehrswert bei bebauten Grundstücken das Zweifache des festgestellten Grundstückswerts ausmacht (R 17 Abs. 6 Satz 4 ErbStR 2003). Bei unbebauten Grundstücken setzte sie als Verkehrswert das 1,2fache des festgestellten Grundstückswerts an. Dies war stimmig, wenn der Erwerb in 1996 erfolgt ist und der Grundstückswert mit 80 % des Bodenrichtwerts vom 1.1.1996 angesetzt wurde.
Mit dem Jahressteuergesetz 2007 verzichtet § 138 BewG darauf, eine Aussage hinsichtlich des Verhältnisses zum gemeinen Wert zu treffen. Unabhängig von der mehr theoretischen Frage, ob ein typisierender Wert oder der gemeine Wert mit den Bewertungsvorschriften des Bewertungsgesetzes gefunden werden soll, hat das BVerfG entschieden, dass für Bewertungsstichtage nach dem 31.12.2008 bei allen Vermögensgegenständen der gemeine Wert angesetzt werden muss. Nach dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 23.6.2015 gilt dies auch für die Ersatzbemessungsgrundlage bei der GrESt.
II. Vorschriften aus der Einheitsbewertung 1964
Rz. 28
Bei der Ermittlung des Steuerwerts nach § 138 BewG sind aus dem Recht der Einheitsbewertung 1964 folgende Vorschriften anzuwenden:
|
Begriff des Grundvermögens, |
|
Abgrenzung des Grundvermögens gegenüber dem land- und forstwirtschaftlichen Vermögen, |
|
Zurechnung des Grundstücks zu einem Gewerbebetrieb. |
Darüber hinaus ist § 70 BewG anzuwenden, allerdings mit der Maßgabe, dass der Anteil des Eigentümers eines Grundstücks an anderem Grundvermögen, z.B. an gemeinschaftlichen Hofflächen oder Garagen, in das Grundstück einzubeziehen ist, wenn der Anteil zusammen mit dem Grundstück genutzt wird.
Ebenfalls entsprechend anzuwenden ist § 20 Satz 2 BewG. Diese Vorschrift sieht Billigkeitsmaßnahmen im Bereich der Grundbesitzbewertung nur dann vor, wenn sie einvernehmlich von allen Ländern beschlossen werden.
Ansonsten kann jedes Land verfahrensrechtliche oder materiell-rechtliche Fragen zur Grundbesitzbewertung in Einzelerlassen regeln, wobei sich weder der Wortlaut noch der Inhalt dieser Erlasse mit denen in den übrigen Ländern decken muss. Typisches Beispiel hierfür war die Berücksichtigung der tatsächlichen Bebauung bei der Mindestbewertung nach § 146 Abs. 6 BewG, die in Bayern großzügiger geregelt war als in den übrigen Ländern. Um eine unterschiedliche Rechtsanwendung in den einzelnen Ländern zu vermeiden, hat sich die Bundesregierung zusammen mit dem Bundesrat entschlossen, Erbschaftsteuer-Richtlinien zu verabschieden, in denen u.a. die Bewertung des Grundbesitzes in R 124 bis R 192 ErbStR 1999 geregelt ist. Zusätzlich zu den Erbschaftsteuer-Richtlinien hat die Finanzverwaltung in den gleich lautenden Ländererlassen v. 21.12.1998 ergänzende Hinweise veröffentlicht.
Die Erbschaftsteuer-Hinweise sind durch gleich lautende Ländererlasse v. 9.6.2000 und v. 31.7.2002 geändert worden. Für Erwerbe ab dem 1.1.2003 sind die Erbschaftsteuer-Hinweise unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung zur Erbschaft- und Schenkungsteuer und zum Bewertungsrecht durch gleich lautende Ländererlasse v. 17.3.2003 überarbeitet worden.
Die Einzelheiten zum Jahressteuergesetz 2007 sind nicht mit einer Überarbeitung der Erbschaftsteuer-Richtlinien, sondern mit gleich lautenden Erlassen v. 2.4.2007 geregelt worden. Sie enthalten die zur Bewertung des Grundbesitzes maßgebenden Verwaltungsanweisungen. Die einzelnen Anweisungen sind in Anlehnung an die Erbschaftsteuer-Richtlinien aufgebaut. Die Überschriften der einzelnen Textziffern der gleich lautenden Erlasse sind, soweit eine entsprechende Vorgängerregelung in den Erbschaftsteuer-Richtlinien enthalten ist, durch einen entsprechenden Zusatz mit Hinweis auf die Erbschaftsteuer-Richtlinien ergänzt worden.