I. Vorbemerkung
Rz. 261
Der Erbverzicht ändert unmittelbar die gesetzliche oder gewillkürte Erbfolge. Haben Verwandte und/oder der Ehegatte noch zu Lebzeiten des Erblassers durch notariellen Vertrag (§ 2348 BGB) mit ihm auf ihr gesetzliches Erbrecht verzichtet, sind sie bei Eintritt des Erbfalls weder erb- noch pflichtteilsberechtigt (§ 2346 Abs. 1 BGB). Dadurch erhöhen sich die Erb- und demnach auch die Pflichtteilsquoten der übrigen gesetzlichen Erben entsprechend. Der, in der Praxis häufigere, isolierte Verzicht auf das Pflichtteilsrecht (§ 2346 Abs. 2 BGB) hat diese Wirkung nicht, er entlastet den/die Erben nur von einer solchen, erst gar nicht entstehenden Erbfallschuld. Auch testamentarisch, jedoch den künftigen Erblasser bereits bindend, als Erben eingesetzte oder als Vermächtnisnehmer bedachte Personen sowie durch Erbvertrag begünstigte Dritte können in gleicher Weise auf ihre hieraus begründeten Rechtspositionen verzichten (§ 2352 BGB). Eine solche Situation liegt auch vor, wenn ein Nacherbe durch Vertrag mit dem Vorerben gegen Abfindung auf seine Nacherbenanwartschaft verzichtet; erbschaft-/schenkungsteuerlich gilt der Vorerbe im Verhältnis zum Nacherben als Erblasser (§ 6 Abs. 2 Sätze 1, 2 und § 7 Abs. 1 Nr. 7, Abs. 2 Satz 1 ErbStG – s. auch Rz. 274).
Rz. 262
Als Instrument der vorweggenommenen Erbfolge bietet der Erbverzicht gegen Abfindung einem künftigen Erblasser die Möglichkeit, bereits vor dem Erbfall seine Rechtsnachfolge personell zu gestalten, den/die Verzichtenden auszuzahlen und ihm/ihnen so noch zeitlebens Teile seines Vermögens zu verschaffen. Entsprechende Abfindungen für die Ausschlagung einer Erbschaft, eines Vermächtnisses, den Verzicht auf Pflichtteilsansprüche oder todesfallbedingte Drittzuwendungen nach dem Erbfall unterliegen als Zuwendungen des Erblassers der Erbschaftsteuer nach § 3 Abs. 2 Nr. 4 u. 5 ErbStG. Konsequent der ursprünglichen Rechtfertigung der Schenkungsteuer folgend fingiert § 7 Abs. 1 Nr. 5 ErbStG lebzeitig erbrachte Abfindungen als steuerbare Schenkungen.
II. Tatbestand
Rz. 263
Wer ist Schenker? Allerdings bestimmt § 7 Abs. 1 Nr. 5 ErbStG den künftigen Erblasser nicht als Schenker. Dies ist zu beachten, wenn die Abfindung nicht von ihm, sondern von durch den Verzicht potentiell begünstigten Personen erbracht wird. Im Falle eines eher untypisch unter Geschwistern durch Erbschaftsvertrag (nach § 311b Abs. 5 BGB) vereinbarten Pflichtteilsverzichts gegen Abfindung hat der BFH klar entschieden, dass bei freigebigen Zuwendungen i.S.d. § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG Schenker stets derjenige ist, der die Abfindung aus seinem Vermögen erbringt (§ 30 Abs. 2 ErbStG). Zumindest vorsichtshalber sollte man daher auch bei Schenkungen i.S.d. § 7 Abs. 1 Nr. 5 ErbStG dieselben Kriterien anlegen. Beachten Sie: Wer stets den Erblasser als Abfindungsschuldner betrachtet, kann infolge der schuldbefreienden Wirkung der Zahlung eines Dritten insoweit zu einer Schenkung des Dritten an ihn gelangen.
Rz. 264
Infolge der gesetzlichen Fiktion einer Schenkung muss die Frage der Unentgeltlichkeit der Abfindung nicht beantwortet werden, die zivilrechtlich in unterschiedlichen Zusammenhängen different beantwortet wird. Zugleich ist § 7 Abs. 1 Nr. 5 ErbStG auch ein markantes Beispiel dafür, dass nach § 7 Abs. 3 ErbStG nicht in Geld bewertbare Gegenleistungen nicht bereicherungsmindernd zu berücksichtigen sind. D...