Dipl.-Finw. (FH) Wilfried Mannek
Rz. 601
Ergibt sich aus dem Betriebsergebnis ein negativer Durchschnittsertrag (Verlust), so ist der Ertragshundertsatz mit 0 % anzusetzen. Dies bedeutet, dass der gemeine Wert solcher Anteile mit (68 minus 30 % = 68 minus 20,4 = 47,6) abgerundet 47 % des Vermögenswerts zu bewerten ist; zur Auswirkung des Ansatzes des Ertragshundertsatzes bei Verlustbetrieben mit 0 % s. auch Moench.
Rz. 602
Bis einschließlich 31.12.1975 konnte auch ein negativer Ertragshundertsatz in die Berechnung des gemeinen Werts der Anteile eingehen. Deshalb kam es zu Rechtsstreitigkeiten über die Frage, wie die Anteilsbewertung unter der Sicht des gesetzlich vorgegebenen Bewertungsmaßstabs "gemeiner Wert" bei Verlustgesellschaften zu gestalten ist. Der BFH hat die Richtlinienregelung in mehreren Urteilen im Grundsatz bestätigt. Mit Urteil vom 6.11.1985 war über einen negativen Ertragshundertsatz zu entscheiden, der in den nächsten Jahren zu Verlusten von weniger als 1 % des Substanzwertes führte. Der BFH kam durch Vergleich mit anderen Bewertungsmethoden zu dem Ergebnis, dass sich nach diesen bei Berücksichtigung eines negativen Ertragshundertsatzes höhere Werte ergäben als nach dem Stuttgarter Verfahren. Im Fall des Urteils vom 10.5.1989 betrug der negative Ertragshundertsatz (./.) 3,26 %. Auch in diesem Fall hat der BFH den Ansatz des Ertragshundertsatzes mit 0 % für sachgerecht gehalten. Der Ansatz eines negativen Ertragshundertsatzes sei nur unter der Annahme gerechtfertigt, dass entsprechend dem Prognosezeitraum des Stuttgarter Verfahrens eine Verlustperiode von weiteren fünf Jahren angenommen werden könnte. Soll der Verlust nicht existenzbedrohend sein, müsste die Unternehmensleitung Maßnahmen ergreifen, alsbald wieder Gewinne zu erzielen. Diesen Erwartungen entspricht regelmäßig ein ausgeglichenes Ergebnis innerhalb der nächsten fünf Jahre. Der I. Senat des BFH hat sich im Rahmen der Bewertung eines Kommanditanteils an einer GmbH & Co. KG für die Gesellschaftssteuer der Rechtsprechung des II. Senats angeschlossen, dass auch bei Verlusten vor dem Bewertungsstichtag ein Ertragshundertsatz von 0 % gerechtfertigt sei. In dem entschiedenen Fall sind bei einem Vermögen der Gesellschaft von rd. 4,7 Mio. DM in den drei Jahren vor dem Bewertungsstichtag Verluste von fast 3 Mio. DM entstanden. Das Unternehmen hat jedoch durch den Verkauf fremdgenutzter Grundstücke einen Veräußerungsgewinn von 2,5 Mio. DM erzielt und dadurch Maßnahmen ergriffen, die Verlustperiode zu überwinden.
Rz. 603
Aus der Rechtsprechung des BFH ergibt sich jedoch deutlich, dass die Richtlinienregelung für Verluste nicht ausnahmslos gelten kann. Wenn die wirtschaftliche Lage des Unternehmens einer Kapitalgesellschaft zu einem bestimmten Stichtag so hoffnungslos ist, dass bei objektiver Betrachtung der Zusammenbruch unabhängig davon zu erwarten ist, ob die Unternehmensleitung dies schon erkannt hat, kann der gemeine Wert der Anteile unter 47 % des Vermögenswerts absinken. Deshalb sieht R 99 Abs. 4 ErbStR 2003 (und ebenso schon Abschn. 7 Abs. 4 VStR 1995) vor, dass der Ertragshundertsatz von 0 % unterschritten werden kann, wenn die am Stichtag vorhandenen objektiven Verhältnisse auf einen baldigen Zusammenbruch des Unternehmens der Gesellschaft hindeuten. Ein Anteilswert von weniger als 47 % des Vermögenswerts ist auch denkbar, wenn eine Gesellschaft über erhebliche Kapitalreserven verfügt, um längere Verlustperioden zu überstehen. Ein solcher Fall kann auch gegeben sein, wenn eine Gesellschaft trotz Verlusten unter Einsatz aller Reserven ihre Marktstellung längerfristig nicht aufgeben kann, weil ihr Marktanteil sonst an Mitbewerber verlorenginge, so dass nur die Liquidation bliebe. Auch bei eingeleiteter Liquidation kann der Vermögenswert unter den Formelwert des Stuttgarter Verfahrens absinken. Ob in der Liquidationsphase der Anteilswert mit dem ungekürzten Vermögenswert bemessen werden kann (so R 105 Abs. 2 ErbStR 2003), hängt von den zu erwartenden Einnahmen aufgrund der Liquidation ab. Je nach der Gesamtwirtschaftslage wird es mehr oder weniger Fälle geben, in denen das Gesellschaftsvermögen unter Wert veräußert werden muss.
Rz. 604
Einstweilen frei.