Rz. 190
Die Abgrenzung des Gewerbebetriebs zur selbständigen Arbeit ergibt sich aus der Aufzählung in § 18 EStG. In § 18 EStG sind erfasst:
- die sog. freien Berufe, d.h. die in § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG aufgeführten Katalogberufe und die ihnen ähnlichen Berufe sowie die selbständig ausgeübte wissenschaftliche, künstlerische, schriftstellerische, unterrichtende und erziehende Tätigkeit. Der "ähnliche Beruf" muss den angeführten Katalogberufen in wesentlichen Punkten, in Bezug auf die Ausbildung und die berufliche Tätigkeit, vergleichbar sein. Anzustellen ist ein wertender Vergleich der einzelnen Berufsmerkmale des Katalogberufs und des als "ähnlich" in Betracht kommenden Berufs aufgrund einer Gesamtbildbetrachtung. Die die Ähnlichkeit begründenden Merkmale müssen i.S. eines Schwerpunkts die anderen, einem Ähnlichkeitsvergleich nicht standhaltenden Merkmale überwiegen. Setzt der Katalogberuf eine qualifizierte – z.B. akademische – Ausbildung voraus, so muss auch die Ausbildung desjenigen, der einen ähnlichen Beruf ausübt, vergleichbar sein. Eine wissenschaftliche Ausbildung oder wissenschaftliche Kenntnisse erfordern nicht unbedingt ein Hochschulstudium; der Steuerpflichtige kann das entsprechende Wissen auch im Selbststudium oder in der Praxis erworben haben. Jedoch müssen die wissenschaftlich-theoretischen Kenntnisse auf dem zu beurteilenden Sektor dem Stand eines Hochschulabsolventen des Vergleichsberufs entsprechen. Kann der zu vergleichende Beruf ohne eine vorgeschriebene Berufsausbildung ausgeübt werden, so können an die Vorbildung des ähnlichen Berufs keine höheren Anforderungen gestellt werden. Ist für die Ausübung des angeführten Berufs eine staatliche Erlaubnis, Prüfung oder Anerkennung erforderlich oder unterliegt die Ausübung einer staatlichen Aufsicht, muss der ähnliche Beruf unter entsprechenden Bedingungen ausgeübt werden.
- die Betreiber einer staatlichen Lotterie, soweit sie nicht Gewerbetreibende sind;
- die sonstige selbstständige Arbeit i.S.v. § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG.
- Einkünfte, die ein Beteiligter an einer vermögensverwaltenden Gesellschaft oder Gemeinschaft, deren Zweck im Erwerb, Halten und in der Veräußerung von Anteilen an Kapitalgesellschaften besteht, als Vergütung für Leistungen zur Förderung des Gesellschafts- oder Gemeinschaftszwecks erzielt, wenn der Anspruch auf die Vergütung unter der Voraussetzung eingeräumt worden ist, dass die Gesellschafter oder Gemeinschafter ihr eingezahltes Kapital vollständig zurückerhalten haben; § 15 Abs. 3 EStG ist nicht anzuwenden (§ 18 Abs. 1 Nr. 4 EStG).
Rz. 191
Der Bezieher von Einkünften aus selbständiger Arbeit i.S.v. § 18 EStG unterscheidet sich vom Gewerbetreibenden vor allem dadurch, dass bei jenem die persönliche Arbeitsleistung im Vordergrund steht. Dabei darf sich der Freiberufler durchaus zwar der Mithilfe fachlich vorgebildeter Arbeitskräfte bedienen. Voraussetzung ist aber, dass er aufgrund eigener Fachkenntnisse leitend und eigenverantwortlich tätig wird (§ 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG).
Rz. 192
Das Erfordernis der persönlichen Leitung und der Eigenverantwortung schließt angesichts der Grenzen der menschlichen Leistungsfähigkeit eine Ausdehnung der freiberuflichen Tätigkeit über ein gewisses Maß hinaus grundsätzlich aus. Die leitende und eigenverantwortliche Tätigkeit des freiberuflich Tätigen muss sich auf die Gesamttätigkeit seiner Berufspraxis erstrecken; es genügt somit nicht, wenn sich die auf persönlichen Fachkenntnissen beruhende Leitung und Eigenverantwortlichkeit auf einen Teil der Berufstätigkeit beschränkt. Freiberufliche Arbeit leistet der Steuerpflichtige nur dann, wenn die Ausführung jedes einzelnen ihm erteilten Auftrags ihm und nicht dem fachlichen Mitarbeiter, den Hilfskräften, den technischen Hilfsmitteln oder dem Unternehmen als Ganzes zuzurechnen ist, wobei in einfachen Fällen eine fachliche Überprüfung der Arbeitsleistung des Mitarbeiters genügt.
Rz. 193
Der freiberuflich Tätige darf weder die Leitung noch die Verantwortlichkeit einem Geschäftsführer oder Vertreter übertragen. Eine leitende und eigenverantwortliche Tätigkeit ist jedoch dann noch anzunehmen, wenn ein Steuerpflichtiger nur vorübergehend, z.B. während einer Erkrankung, eines Urlaubs oder der Zugehörigkeit zu einer gesetzgebenden Körperschaft oder der Mitarbeit in einer Standesorganisation, seine Berufstätigkeit nicht selbst ausüben kann.
Näher zur Abgrenzung des Gewerbebetriebs gegenüber der selbstständigen Arbeit i.S.v. § 18 EStG vgl. z.B. Wacker, dort auch zur Beurteilung von gemischten Tätigkeiten.
Rz. 194
Der Abgrenzung des gewerblichen Betriebsvermögens vom Betriebsvermögen der Freiberufler und der Einnehmer einer staatlichen Lotterie i.S.v. § 18 Abs. 1 Nr. 2 EStG kommt bewertungsrechtlich im Hinblick auf § 96 BewG im Prinzip keine praktische Bedeutung zu. Da die selbstständig Tätigen ihren Gewinn aber ohne Rücksicht auf die Höhe ihres Umsatzes und ihres G...