1. Vergleichsgrundstücke
Rz. 77.1
Nach § 79 Abs. 2 Satz 2 BewG ist die übliche Miete zu ermitteln, indem vergleichbare vermietete Grundstücke herangezogen werden. Aus der Jahresrohmiete dieser Vergleichsgrundstücke ist die übliche Miete für das zu bewertende Grundstück abzuleiten. Dabei genügt es regelmäßig nicht, nur ein Vergleichsgrundstück heranzuziehen. Im Allgemeinen lässt sich erst anhand der Mieten mehrerer Vergleichsgrundstücke feststellen, in welcher Höhe Vergleichsmieten "regelmäßig" gezahlt werden. Diese gesetzlichen Anforderungen an die Ermittlung der üblichen Miete ließen sich schon bei der Hauptfeststellung zum 1.1.1964 nur selten erfüllen. Gerade bei der problematischen Gruppe von Grundstücken, für welche die übliche Miete zu ermitteln war, insbesondere bei den selbstgenutzten Ein- und Zweifamilienhäusern, waren nur ausnahmsweise vergleichbare vermietete Objekte vorhanden. War ein Ein- oder Zweifamilienhaus in der näheren Umgebung des Bewertungsobjekts – der überregionale Markt soll außer Betracht bleiben – ausnahmsweise vermietet, ließ es sich häufig mit dem zu bewertenden Grundstück nicht vergleichen, weil es baulich anders gestaltet, anders gelegen, anders finanziert oder das Grundstück anders zugeschnitten war. Im Wesentlichen gab es nur bei Reiheneigenheimen und Eigentumswohnungen ohne individuelle Gestaltung sowie bei Mietwohnungen brauchbare Vergleichsgrundstücke. Die Spiegelmieten sind deshalb überwiegend aus solchen Vergleichsfällen abgeleitet.
War die Schätzung der üblichen Miete anhand von Vergleichsgrundstücken schon am 1.1.1964 nur ausnahmsweise möglich, ist sie für die nach dem Hauptfeststellungszeitpunkt errichteten Gebäude regelmäßig ausgeschlossen. Denn Neubauten lassen sich insbesondere wegen ihrer besseren baulichen Gestaltung und Ausstattung im Allgemeinen nicht mit Gebäuden vergleichen, die bereits am 1.1.1964 vorhanden und vermietet waren. Der BFH führt hierzu in seinem Urteil v. 23.11.1988 aus, dass die übliche Miete in Anlehnung an die Jahresrohmiete zu schätzen ist, die für Räume gleicher oder ähnlicher Art, Lage und Ausstattung am 1.1.1964 regelmäßig gezahlt wurde. Mangels Vergleichbarkeit der Objekte kann daher regelmäßig auf die Spiegelmiete (s. Anm. 78 f.) zurückgegriffen werden.
2. Passivhäuser
Rz. 77.2
Bei der Bewertung von Passivhäusern hat sich in der Praxis die Frage gestellt, ob insoweit das Ertrags- oder das Sachwertverfahren anzuwenden ist.
Rz. 77.3
Mit dem Begriff "Passivhaus" wird ein bestimmter Energiestandard eines Gebäudes beschrieben. Als Passivhaus wird ein Gebäude bezeichnet, wenn die thermische Behaglichkeit allein durch Nachheizen oder Kühlen des Frischluftvolumenstroms, der für eine ausreichende Luftqualität erforderlich ist, hergestellt wird, ohne dazu zusätzliche Umluft zu verwenden. Das Funktionsprinzip des Passivhauses beruht damit auf einer Konstruktion, die es ermöglicht, Energieverluste durch eine gute Wärmedämmung aller Umfassungswände, durch eine weitgehende dichte Gebäudehülle und durch eine kontrollierte Wohnraumlüftung auf ein Minimum zurückzuführen. Zu großen Teilen wird der Heizenergiebedarf aus Wärmegewinnen durch Sonneinstrahlung sowie der Abwärme von Personen und technischen Geräten gedeckt. Der verbleibende Heizenergiebedarf erfolgt durch eine kontrollierte Wohnraumbelüftung mit Zuluftnachheizung. Eine Heizungsanlage im herkömmlichen Sinn ist daher nicht erforderlich. Das Passivhaus ist die Weiterentwicklung des sogenannten Niedrigenergiehauses.
Rz. 77.4
Grundsätzlich ist das Passivhaus mit einem in konventioneller Bauweise errichteten Gebäude vergleichbar. Allein die Errichtung eines Ein-/Zweifamilienhauses als Passivhaus dürfte m.E. nicht die Anwendung des Sachwertverfahrens rechtfertigen. Die Wertermittlung kann daher im Ertragswertverfahren erfolgen. Das Sachwertverfahren wäre nur anzuwenden, wenn das Gebäude besonders ausgestattet oder ausgestaltet ist (vgl. § 76 Abs. 3 Nr. 1 BewG).
Rz. 77.5
Bei der Bewertung von Passivhäusern im Ertragswertverfahren ist die Ermittlung der üblichen Miete problematisch. Denn die übliche Jahresmiete ist im Regelfall unter Berücksichtigung der nach den Wertverhältnissen des 1.1.1964 aufgestellten Mietspiegel zu ermitteln. Allerdings kann für Passivhäuser unmittelbar aus den Mietspiegeln keine übliche Miete abgeleitet werden, weil derartige Gebäude im Hauptfeststellungszeitpunkt nicht vorhanden waren. Somit waren am 1.1.1964 keine Gebäude gleicher oder ähnlicher Art, Lage und Ausstattung in repräsentativer Anzahl vermietet, so dass die unmittelbare Ableitung einer üblichen Miete für Passivhäuser ausscheidet. M.E. sollte dieser Umstand jedoch kein Anlass für eine Bewertung von Passivhäusern im Sachwertverfahren sein. Vielmehr sollte die besondere Ko...