Dipl.-Finw. (FH) Gerhard Bruschke
1. Allgemeines
Rz. 205
Bei der Bekanntgabe von Fortschreibungsbescheiden muss das Finanzamt wegen der weitreichenden Folgen bei Bekanntgabefehlern, äußerst sorgfältig verfahren. Zu den Einzelheiten der Bekanntgabe von Verwaltungsakten wird auf die ausführlichen Erläuterungen zu § 122 AO im AEAO verwiesen. Von der Möglichkeit, den Bescheid nur an den Empfangsbevollmächtigten bekannt zu geben, sowie von den Bekanntgabevereinfachungen nach §§ 183, 122 Abs. 7 AO sollte es nur Gebrauch machen, wenn die Voraussetzungen dafür mit Sicherheit vorliegen. Andernfalls ist der Bescheid allen in Betracht kommenden Empfängern bekannt zu geben. Hierbei ist auf die richtige Adressierung des Bescheids und der Unterscheidung zwischen Inhaltsadressat und Bekanntgabeadressat zu achten.
Rz. 206
Treten Zweifel an der Wirksamkeit der Bekanntgabe auf, sollte das Finanzamt die Bekanntgabe sofort unter Vermeidung von Fehlern wiederholen, statt sich auf einen jahrelangen Rechtsstreit über die Wirksamkeit der Bekanntgabe einzulassen. Bei Nachweisschwierigkeiten ist der Bescheid ggf. nach § 122 Abs. 5 AO formell zuzustellen. Eine überflüssige Bekanntgabe oder Zustellung ist unschädlich; eine zu Unrecht unterbliebene oder fehlerhafte Bekanntgabe kann dagegen für alle Beteiligten sehr unangenehme Folgen haben und langwierige Rechtsstreitigkeiten mit einem erheblichen Kostenrisiko verursachen, das regelmäßig höher ist als die Mehrkosten, die eine zusätzliche Bekanntgabe oder Zustellung mit sich bringt.
Rz. 207
Ergeht der Fortschreibungsbescheid erst nach dem Tod eines Zurechnungsträgers, so bleibt der Verstorbene für Feststellungszeitpunkte bis zu seinem Tod Zurechnungsträger. Der Wert, Art- oder Zurechnungsfortschreibungsbescheid für diese Stichtage ist jedem Erben in je einer Ausfertigung unter Bezeichnung des Gesamtrechtsnachfolgeverhältnisses bekannt zu geben. Mit der Bekanntgabe des Fortschreibungsbescheids an die Erben als Rechtsnachfolger tritt zugleich die Wirkung des § 182 Abs. 2 AO ein. Der Erbe muss den Fortschreibungsbescheid auch als Grundlage für die ihn persönlich treffenden Steuerpflichten gelten lassen.
Rz. 208
Auf den ersten Stichtag nach dem Tod des Erblassers hat außerdem eine Zurechnungsfortschreibung auf den oder die Erben als neue Zurechnungsträger zu erfolgen. Ggf. kann es sich dabei auch um eine Erbengemeinschaft handeln, die das Grundstück bis zur Auseinandersetzung der Gemeinschaft im Gesamthandsvermögen hält. Der gegenüber dem Rechtsvorgänger festgestellte Grundsteuerwertbescheid entfaltet aufgrund seiner dinglichen Ausgestaltung bezüglich der Art- und Wertfeststellung jedoch weiterhin Wirkung. Eine erneute Bekanntgabe an den oder die Rechtsnachfolger ist also insoweit nicht erforderlich.
Rz. 209
Einstweilen frei.
2. Zurechnungsfortschreibung
Rz. 210
Weil der Zurechnungsfortschreibungsbescheid sowohl dem früheren als auch dem neuen Zurechnungsträger gegenüber eine bindende Feststellung über die Zurechnung der wirtschaftlichen Einheit trifft, ist jedem der Zurechnungsträger eine Ausfertigung des Bescheids bekannt zu geben (§ 122 Abs. 1 AO).
Rz. 211
Die Praxis der Finanzverwaltung, den Zurechnungsfortschreibungsbescheid i.d.R. nur dem neuen Zurechnungsträger bekannt zu geben und dem bisherigen Zurechnungsträger nur dann eine Ausfertigung zu erteilen, wenn er es beantragt, wenn Streit über die Zurechnung besteht oder wenn das wirtschaftliche Eigentum übergeht, ist mit § 122 Abs. 1 Satz 1 AO nicht vereinbar. Denn auch der bisherige Zurechnungsträger ist stets durch die Zurechnungsfortschreibung betroffen, weil die Fortschreibung in seine Rechtsstellung eingreift.
Rz. 212
Bei mehreren Zurechnungsträgern auf der Seite der Erwerber oder Veräußerer ist jedem eine Ausfertigung zu übersenden. Das gilt grundsätzlich auch bei Ehegatten und deren Kindern. Allerdings ist bei Ehegatten die Bekanntgabe eines Bescheids an die gemeinsame Anschrift zulässig. In diesem Fall handelt es sich ebenso wie bei dem Zusammenveranlagungsbescheid bei der Einkommensteuer um zwei Bescheide, die beiden in einer Ausfertigung bekannt gegeben werden. Voraussetzung ist allerdings, dass die Ehegatten eindeutig im Bescheid als Feststellungsbeteiligte angegeben sind. Das gleiche Verfahren kann grundsätzlich auch bei Ehegatten und ihren Kindern oder Alleinstehenden...