Dipl.-Finw. (FH) Wilfried Mannek
Rz. 38
Die Anforderungen an die Qualifikation, die die Nachweisenden aufweisen müssen, um einen erfolgreichen Nachweis des niedrigeren gemeinen Werts mithilfe eines Sachverständigengutachtens führen zu können, sind mit der Änderung des § 198 BewG und dem für Bewertungsstichtage nach dem 22.7.2021 geltenden Abs. 2 durch das Grundsteuerreform-Umsetzungsgesetz v. 16.7.2021 festgelegt worden. Bislang war insoweit seitens der Finanzverwaltung und dem BFH unterschiedliche Auffassung vertreten worden. Mit der Änderung des § 198 BewG dürften die bisherigen Divergenzen beseitigt sein.
Ursprünglich hatte die Finanzverwaltung bezüglich der 1996 zum Nachweis des niedrigeren gemeinen Werts geltenden Regelungen die Auffassung vertreten, dass lediglich Gutachten anzuerkennen sind, die von öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen sowie auf den Gutachterausschüssen erstellt worden sind. Demgegenüber wurde – zuletzt in R B 198 Abs. 3 Satz 1 ErbStR 2019 – eine großzügigere Auffassung vertreten. Danach ist regelmäßig ein Gutachten des zuständigen Gutachterausschusses oder eines "Sachverständigen" für die Bewertung von Grundstücken für erforderlich. Damit hat die Finanzverwaltung zwischenzeitlich die Beschränkung des Kreises der Gutachtenden auf öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige aufgegeben.
Denn die strikte Ablehnung von Gutachten, die von ihrer inhaltlichen Qualität nicht zu beanstanden sind, erschienen angesichts des Wortlauts der in § 198 BewG verorteten Öffnungsklausel nicht sachgerecht. Insoweit forderte der Wortlaut des § 198 BewG in der Fassung vor dem Grundsteuerreform-Umsetzungsgesetz v. 16.7.2021 lediglich den "Nachweis", nicht aber eine formelle Qualifikation der nachweisenden Person. Deshalb war die Finanzverwaltung dazu übergegangen, auch solche Gutachten anzuerkennen, die hinsichtlich der qualitativen Aussagen nicht zu beanstanden sind. Denn beispielsweise zertifizierte Gutachter sind – auch hinsichtlich der formellen Voraussetzungen – in der Praxis der Grundstückswertermittlung nicht wegzudenken. Ferner ist mit dem IDW S 10 ein für die Wirtschaftsprüfung angebotener Standard zur Bewertung von Grundstücken entwickelt worden, so dass künftig vermehrt Gutachten von Wirtschaftsprüfungsgesellschaften erstellt werden könnten.
Dieser weiten Auslegung hinsichtlich des Kreises der Personen, die den Nachweis des niedrigeren gemeinen Werts führen können, konnte der BFH jedoch nicht folgen. Zunächst entschied der BFH, dass der Steuerpflichtige den Nachweis durch ein Sachverständigengutachten so zu führen hat, dass ihm von Gerichten ohne Bestellung weiterer Sachverständiger gefolgt werden kann. Mit dieser Rechtsprechung wird letztlich auch sichergestellt, dass der Steuerzahler die Nachweislast nicht dadurch umgehen kann, dass er – von vornherein – ein mangelhaftes Gutachten vorlegt und innerhalb des finanzgerichtlichen Verfahrens die Kosten für ein vom Gericht in Auftrag gegebenes Gutachten im Falles seines Obsiegens auf die Finanzverwaltung abwälzen kann.
Rz. 38.1
Mit Urteil vom 11.9.2013 ging der BFH jedoch einen Schritt weiter. Er vertrat die Auffassung, dass der Nachweis eines niedrigeren gemeinen Werts nur durch ein Gutachten erbracht werden kann, das der örtlich zuständige Gutachterausschuss oder ein öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für die Bewertung von Grundstücken erstellt hat. Damit stellte der BFH im Ergebnis auf eine formelle Qualifikation der nachweisenden Person ab. Zwar betraf das Urteil des BFH noch die Rechtslage des § 146 Abs. 7 BewG a.F. Allerdings hatte die Entscheidung ebenso Bedeutung für die Vorschrift des § 198 BewG in der Fassung vor dem Grundsteuerreform-Umsetzungsgesetz v. 16.7.2021, weil inhaltlich keine Unterschiede bestanden.
Für die Auffassung des BFH sprach, dass den Steuerzahler die Nachweislast für einen niedrigeren gemeinen Wert trifft und nicht eine bloße Darlegungslast (so auch R B 198 Abs. 1 Satz 2 ErbStR 2019). Daraus hat der BFH abgeleitet, dass der Steuerzahler den Nachweis durch Sachverständigengutachten regelmäßig nur dann erbracht hat, wenn das Gutachten vom örtlich zuständigen Gutachterausschuss oder von einem öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen für die Bewertung von Grundstücken erstellt wurde.
Rz. 38.2
Der BFH führte hierzu aus:
- „31 aa) Nach § 146 Abs. 7 BewG ist ein niedrigerer Wert festzustellen, wenn der Steuerpflichtige einen niedrigeren gemeinen Wert nachweist. Der Steuerpflichtige trägt insoweit die Nachweislast. Er kann den Nachweis durch Sachverständigengutachten regelmäßig nur durch ein Gutachten des örtlich zuständigen Gutachterausschusses oder eines Sachverständigen für die Bewertung von Grundstücken führen (BFH-Urteil vom 10. November 2004 II R 69/01, BFHE 207, 352, BStBl II 2005, 259). Bei dem Sachverständigen muss es sich um einen öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen handeln. Aufgrund der Nachweislast obliegt es dem Steuer...