Dipl.-Finw. (FH) Wilfried Mannek
Rz. 35
Die zunächst mit dem Grundsteuerreform-Umsetzungsgesetz vorgenommene Ergänzung des § 177 BewG stand im Zusammenhang der Reaktion des Gesetzgebers auf die Rechtsprechung des BFH zu den Liegenschaftszinssätzen. Der BFH hatte entschieden, dass durch den Gutachterausschuss ermittelte örtliche Liegenschaftszinssätze für die Grundbesitzbewertung für Zwecke der Erbschaftsteuer "geeignet" sind, wenn der Gutachterausschuss die an ihn gerichteten Vorgaben des BauGB sowie der darauf beruhenden Verordnungen eingehalten und die Liegenschaftszinssätze für einen Zeitraum berechnet hat, der den Bewertungsstichtag umfasst. Auf den Zeitpunkt der Beschlussfassung oder Veröffentlichung der Liegenschaftszinssätze durch den Gutachterausschuss komme es für ihre zeitliche Anwendung nicht an.
Rz. 36
Die Rechtsprechung wurde von der Finanzverwaltung nicht über den entschiedenen Fall hinaus angewandt, weil sich in der Praxis sich das Problem stellt, dass die Daten der Gutachterausschüsse aufgrund des Umstandes, dass sie erst über mehrere Jahre erhoben und gesammelt, dann periodisch ausgewertet und schließlich veröffentlicht werden müssen, stets eine gewisse Zeit nachhängen. Bis zur Ermittlung und Veröffentlichung von Liegenschaftszinssätzen, bei denen der Bewertungsstichtag innerhalb des Zeitraums der ausgewerteten Kauffälle des Gutachterausschusses liegt, könnten daher unter Umständen mehrere Jahre liegen. Des Weiteren könnten sich unterschiedliche Liegenschaftszinssätze ergeben, wenn sich die Auswertungszeiträume der Gutachterausschüsse zeitlich überlappen. Darüber hinaus ist es – nach Auffassung der FinVerw – mit dem Grundsatz der retrograden Wertermittlung unvereinbar, Erkenntnisse aus Daten nach dem Bewertungsstichtag in die Bewertung einzubeziehen.
Rz. 37
Mit den in § 183 Abs. 2 BewG (Vergleichsfaktor), § 187 Abs. 2 BewG (Bewirtschaftungskosten), § 188 Abs. 2 BewG (Liegenschaftszinssatz) und § 191 Abs. 1 BewG (Sachwertfaktor) enthaltenen Neuregelungen des Grundsteuerreform-Umsetzungsgesetzes hat sich auch der Gesetzgeber für Bewertungsstichtage nach dem 22.7.2021 gegen die Rechtsprechung des BFH entschieden. Der – zunächst – eingefügte Abs. 2 regelte, dass die Anwendung der vom Gutachterausschuss ermittelten und veröffentlichten Daten nur für einen begrenzten Zeitraum zulässig ist. Dabei wurde die Anwendung der für die Wertermittlung erforderlichen Daten des Gutachterausschusses auf einen Zeitraum von längstens zwei Jahren ab dem Ende des Kalenderjahres begrenzt, in dem der vom Gutachterausschuss zugrunde gelegte Auswertungszeitraum endet.
Rz. 38
Allerdings galt die zeitliche Begrenzung nicht absolut. In den Fällen, in denen Gutachterausschüsse nur Daten zur Verfügung stellen, die älter sind, als der vom Gesetzgeber zugebilligte Zeitraum, ist zu prüfen, ob sich die maßgeblichen Wertverhältnisse nicht wesentlich geändert haben. Es ist durchaus zu beobachten, dass insb. in ländlichen Regionen die Wertverhältnisse auch über einen längeren Zeitraum stabil bleiben. Unter dieser Voraussetzung können die Daten der Gutachterausschüsse auch über den grundsätzlich auf zwei Jahre begrenzten Zeitraum hinaus angewendet werden.
Rz. 39
Die vorstehenden Regelungen gelten für alle Bewertungsstichtage nach dem 22.7.2021 und vor dem 1.1.2023.
Rz. 40– 42
Einstweilen frei.