1. Allgemeines
Rz. 127
Die in § 10 Sätze 2 und 3 BewG ebenso wie im inhaltsgleichen § 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG enthaltene Teilwertdefinition geht von folgenden Prämissen aus:
- (1) von der Annahme der Veräußerung des ganzen Unternehmens (Betriebes); vgl. Rz. 128;
- (2) von der Annahme, dass der Erwerber das Unternehmen fortführt; vgl. Rz. 133 f.;
- (3) von dem Teilentgelt, dass der Unternehmenskäufer im Rahmen des Gesamtkaufpreises für das einzelne Wirtschaftsgut ansetzen würde; vgl. Rz. 138.
2. Annahme der Veräußerung des ganzen Unternehmens (Betriebes)
Rz. 128
Diese Annahme dient dem Zweck, eine Bewertung der Wirtschaftsgüter unter Berücksichtigung ihrer wirtschaftlichen Bedeutung für den "lebenden" Betrieb zu gewährleisten, also den Einzelveräußerungspreis oder Liquidationswert des Wirtschaftsguts als Bewertungsgröße grundsätzlich auszuschließen.
Rz. 129– 132
Einstweilen frei.
3. Annahme der Fortführung des Unternehmens (Betriebes)
Rz. 133
Auch diese Prämisse soll gewährleisten, dass nicht der Einzelveräußerungspreis oder Liquidationswert angesetzt, sondern der Bedeutung der Wirtschaftsgüter für den "lebenden" Betrieb Rechnung getragen wird. Grundsätzlich ist bei dieser Fortführungsprämisse (Prinzip des going concern) zu unterstellen, dass der Erwerber den Betrieb ohne wesentliche Veränderungen in der Weise weiterführt, wie es der Steuerpflichtige bislang getan hat.
Rz. 134
Allerdings erfährt die Fortführungsprämisse ihre Grenzen durch den Charakter des Teilwerts (nicht anders als des gemeinen Werts) als eines objektiven, von den besonderen persönlichen Umständen abstrahierenden Wertmaßstabs. Nach ständiger Rechtsprechung kommt es daher für die Bemessung des Teilwerts nur auf die objektiven Verhältnisse des Betriebes, nicht dagegen auf die persönlichen Umstände, Absichten, Fähigkeiten und Preisvorstellungen des jeweiligen konkreten Betriebsinhabers an. Auch darf die Fortführungsprämisse nicht so weit ausgedehnt werden, dass die Fortsetzung ökonomisch unsinniger, nutzloser oder gar verbotener Geschäfte durch den gedachten Betriebserwerber unterstellt wird.
Rz. 135– 137
Einstweilen frei.
4. Teilentgelt für das einzelne Wirtschaftsgut im Rahmen des Gesamtkaufpreises
Rz. 138
Wie bereits dargelegt (Rz. 121 f.), ist der Teilwert als Substanzwert, nicht dagegen als (anteiliger) Ertragswert zu verstehen. Wenn demnach § 10 Satz 2 BewG den Teilwert als den Betrag ansieht, den ein Erwerber des ganzen Unternehmens "im Rahmen des Gesamtkaufpreises" für das einzelne Wirtschaftsgut ansetzen würde, so kann das nicht etwa bedeuten, dass zunächst der Gesamtwert des Betriebes ermittelt werden müsse und dieser sodann auf die einzelnen Wirtschaftsgüter zu verteilen sei. Abgesehen von den praktischen Schwierigkeiten der Ermittlung des Unternehmensgesamtwerts und der Unmöglichkeit dessen Aufsplittung (Repartition) auf die einzelnen Wirtschaftsgüter (vgl. Rz. 115) würde dieses Verfahren dem bilanziellen Gebot der Einzelbewertung, das bis zum 31.12.2008 uneingeschränkt auch für das Bewertungsrecht galt (vgl. den durch das ErbStRG 2009 v. 24.12.2008 gestrichenen § 98a BewG a.F.) widersprechen und auf die Ermittlung nicht des Substanzwerts, sondern des anteiligen Ertragswerts des einzelnen Wirtschaftsguts hinauslaufen.
Rz. 139
Mit der Formulierung "im Rahmen des Gesamtkaufpreises" ging es dem Gesetzgeber nur mehr darum, sicherzustellen, dass bei der Bemessung des Werts der einzelnen Wirtschaftsgüter deren spezifische Bedeutung für den konkreten Betrieb berücksichtigt wird. Die entscheidende Fragestellung bei der Ermittlung des Teilwerts lautet daher, welchen Betrag der Erwerber des ganzen Unternehmens (Betriebes) für das einzelne Wirtschaftsgut des Betriebsvermögens unter der Prämisse aufwenden würde, dass er den Betrieb fortführt. Die Entscheidung, welchen Preis ein fiktiver Erwerber zu zahlen bereit wäre, ist anhand objektiver Kriterien zu prüfen. Dabei ist von einem Verhalten des Erwerbers auszugehen, das von wirtschaftlich vernünftigen kaufmännischen Erwägungen getragen ist. Ein dementsprechend handelnder Erwerber würde dem Veräußerer die Kosten erstatten, welche er bei vernünftigem kaufmännischen Handeln ...