Rz. 2.1
Das Bewertungsgesetz unterscheidet begrifflich zwischen der Jahresrohmiete (§ 79 Abs. 1 BewG) und der üblichen Miete (§ 79 Abs. 2 BewG). Sowohl der Jahresrohmiete als auch der üblichen Miete liegen die gleichen Ermittlungsgrundsätze zu Grunde. Bei Fortschreibungen und Nachfeststellungen auf aktuelle Stichtage kommt der tatsächlich vereinbarten Miete i.S.d. § 79 Abs. 1 BewG in der Praxis nahezu keine Bedeutung mehr zu. Denn es dürfte in der Praxis nur wenige Gebäude geben, die im Hauptfeststellungszeitpunkt 1.1.1964 vermietet waren und bei denen bis zum aktuellen Fortschreibungsstichtag keinerlei Änderung der tatsächlichen Verhältnisse eingetreten ist. Dennoch sind die Grundsätze zur Bestimmung der Jahresrohmiete auch bei der Ermittlung der üblichen Miete i.S.d. § 79 Abs. 2 BewG zu beachten. Die Ermittlungsgrundsätze wurden für die Hauptfeststellung auf den 1.1.1964 aufgestellt. Sie finden trotz des seit über 50 Jahren währenden Hauptfeststellungszeitraums weiterhin Anwendung und beeinflussen insoweit die Ermittlung des Grundstückswerts.
Rz. 2.2
Derzeit sind mehrere Verfahren beim BVerfG anhängig, bei denen es um die Frage der Verfassungsmäßigkeit der Einheitsbewertung geht. Die Finanzämter erteilen Bescheide über die Feststellung des Einheitswerts dementsprechend mit einem Vorläufigkeitsvermerk.
Rz. 2.3
Hierzu sind folgende gleich lautende Erlasse der Länder vom 18.5.2015 ergangen:
Vorläufige Einheitswertfeststellungen und vorläufige Festsetzungen des Grundsteuermessbetrags
Feststellungen der Einheitswerte für Grundstücke (§ 19 Abs. 1, §§ 68 und 70, § 129 Abs. 2 BewG) und für Betriebe der Land- und Forstwirtschaft (§ 19 Abs. 1, §§ 33, 48a und 51a BewG) sowie Festsetzungen des Grundsteuermessbetrags sind im Rahmen der verfahrensrechtlichen Möglichkeiten hinsichtlich der Frage, ob die Vorschriften über die Einheitsbewertung des inländischen Grundbesitzes verfassungsgemäß sind, vorläufig nach § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AO durchzuführen. In die Bescheide ist folgender Erläuterungstext aufzunehmen:
Einheitswertfeststellungen:
"Die Feststellung des Einheitswerts ist gemäß § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AO vorläufig hinsichtlich der Frage, ob die Vorschriften über die Einheitsbewertung des inländischen Grundbesitzes verfassungsgemäß sind. Die Vorläufigkeitserklärung erfolgt lediglich aus verfahrenstechnischen Gründen. Sie ist nicht dahin zu verstehen, dass die Vorschriften über die Einheitsbewertung als verfassungswidrig angesehen werden. Sollte aufgrund einer diesbezüglichen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts diese Einheitswertfeststellung aufzuheben oder zu ändern sein, wird die Aufhebung oder Änderung der Einheitswertfeststellung und einer darauf beruhenden Festsetzung des Grundsteuermessbetrags von Amts wegen vorgenommen; ein Einspruch ist daher insoweit nicht erforderlich."
Festsetzungen des Grundsteuermessbetrags:
"Die Festsetzung des Grundsteuermessbetrags ist gemäß § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AO vorläufig hinsichtlich der Frage, ob die Vorschriften über die Einheitsbewertung des inländischen Grundbesitzes verfassungsgemäß sind. Die Vorläufigkeitserklärung erfolgt lediglich aus verfahrenstechnischen Gründen. Sie ist nicht dahin zu verstehen, dass die Vorschriften über die Einheitsbewertung als verfassungswidrig angesehen werden. Sollte aufgrund einer diesbezüglichen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts diese Messbetragsfestsetzung aufzuheben oder zu ändern sein, wird die Aufhebung oder Änderung der Festsetzung des Grundsteuermessbetrags von Amts wegen vorgenommen; ein Einspruch ist daher insoweit nicht erforderlich."
Im Übrigen gelten die im BMF-Schreiben vom 16. Mai 2011 (BStBl I S. 464) getroffenen Regelungen entsprechend.
Die gleich lautenden Erlasse vom 19. April 2012 (BStBl I S. 490) werden aufgehoben.
Rz. 2.4
Auch wenn die Bemessungsgrundlage für die Grundsteuer wegen der Maßgeblichkeit des Hauptfeststellungszeitpunkts 1.1.1964 nach Ablauf von über 50 Jahren nichts mehr mit dem gemeinen Wert eines Grundstücks zu tun hat, muss dies allein nicht zur Verfassungswidrigkeit der Einheitsbewertung führen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn alle Grundstücke mit einem vergleichbaren Wertniveau zur Grundsteuer herangezogen werden. Da die Wertentwicklung der einzelnen Grundstücksarten jedoch unterschiedlich verlaufen ist, ergeben sich erhebliche Wertverzerrungen, die aus verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten kaum hinnehmbar sein dürften. Hinzu kommen weitere Wertverzerrungen, die bei unterschiedlich alten Gebäuden unvermeidlich sind, weil das Alter von Gebäuden, die nach dem 1.1.1964 errichtet worden sind, nicht berücksichtigt wird.
Rz. 2.5
Vgl. Anm. 47.1–47.9 (Vorlage des BFH an das BVerfG).
Rz. 2.6
Der Begriff der Jahresrohmiete i.S.d. § 79 Abs. 1 BewG deckt sich im Grundsatz mit dem gleichen Begriff nach dem Bewertungsrecht 1934. Wesentlich für den Begriff und damit für den Umfang der Jahresrohmiete ist, dass nach dem Wortlau...