Dipl.-Finw. (FH) Wilfried Mannek
1. Systematik des Abgrenzungserlasses vom 5.6.2013
Rz. 60
In der Praxis ist die Abgrenzung des Grundvermögens von den Betriebsvorrichtungen von wesentlicher Bedeutung. Nach § 243 Abs. 2 Nr. 2 BewG sind nicht in das Grundvermögen einzubeziehen Maschinen und sonstige Vorrichtungen aller Art einer Betriebsanlage (Betriebsvorrichtungen). Das gilt auch dann, wenn sie wesentliche Bestandteile eines Gebäudes oder, ohne Bestandteil eines Gebäudes zu sein, Bestandteile des Grundstücks sind. Folglich kann eine Betriebsvorrichtung auch dann vorliegen, wenn ein Bauwerk – soweit es kein Gebäude ist – wesentlicher Bestandteil des Grundstücks ist. Dies ist insb. der Fall, wenn mit dem Bauwerk das Gewerbe unmittelbar betrieben wird. Andererseits ist es nicht möglich, dass ein Bauwerk, das die Merkmale eines Gebäudes erfüllt, als Betriebsvorrichtung anzusehen ist. Denn mit der Formulierung des § 243 Abs. 2 Nr. 2 BewG wird nur der Begriff des wesentlichen Bestandteils zu Gunsten der Betriebsvorrichtung eingeschränkt. Hinsichtlich des Gebäudebegriffs ergibt sich keine Einschränkung.
Rz. 61
Die in § 243 Abs. 2 Nr. 2 BewG verwandte Formulierung entspricht – bis auf die redaktionelle Verortung der zu den doppelten Zwecken dienenden Bauteile – dem Wortlaut des § 68 Abs. 2 Nr. 2 BewG.
2. Gebäudebegriff vorrangig
Rz. 62
Bei der Abgrenzung der Betriebsvorrichtungen vom Grundvermögen ist zunächst zu prüfen, ob das Bauwerk ein Gebäude ist. Sofern die Voraussetzungen für alle Gebäudemerkmale (vgl. Rz. 27) nebeneinander erfüllt sind, kann begrifflich keine Betriebsvorrichtung mehr vorliegen. Vielmehr handelt es sich bei dem Bauwerk zwingend um ein Gebäude. Denn nach § 243 Abs. 2 Nr. 2 BewG hat die Behandlung als Betriebsvorrichtung lediglich Vorrang bei wesentlichen Bestandteilen. Dagegen schränkt § 243 Abs. 2 Nr. 2 BewG den Gebäudebegriff nicht ein, sodass ein Gebäude keine Betriebsvorrichtung sein kann.
Beispiel 1
Ein Autohändler präsentiert die von ihm zum Verkauf angebotenen Personenkraftwagen in einer selbsttragenden mehrgeschossigen Stahl-Glas-Konstruktion (Tower), um seinen Gewerbebetrieb (Autohandel) zu fördern.
Obwohl das Bauwerk dem ausgeübten Gewerbebetrieb unmittelbar dient und zu ihm auch in einer besonderen Beziehung steht, handelt es sich bei den Bauwerk um ein Gebäude, weil die Voraussetzungen für alle Gebäudemerkmale ausnahmslos erfüllt sind. Insb. ist auch der Aufenthalt von Menschen möglich, obwohl der Aufenthalt rechtlich unzulässig ist. Es ist nicht erforderlich, dass das Bauwerk zum Aufenthalt von Menschen bestimmt ist. Es muss lediglich so beschaffen sein, dass Menschen ein mehr als nur vorübergehender Aufenthalt möglich ist.
Beispiel 2
Der Turm einer Windkraftanlage dient unmittelbar der Stromerzeugung und steht zweifellos zu diesem ausgeübten Gewerbebetrieb in einer besonderen Beziehung.
Für die Zuordnung des Bauwerks zum Gebäude oder zur Betriebsvorrichtung ist zunächst in einem ersten Prüfungsschritt zu entscheiden, ob das Bauwerk ein Gebäude ist. Nach Auffassung der Finanzverwaltung wird das Bauwerk allerdings nur gelegentlich zu Kontroll-, Wartungs- oder Reparaturarbeiten betreten, sodass nur von einer vorübergehenden Möglichkeit des Aufenthalts von Menschen ausgegangen wird. Durch das Fehlen dieses vorauszusetzenden Gebäudemerkmals handelt es sich bei dem Bauwerk nicht um ein Gebäude. Im zweiten Prüfungsschritt ist festzustellen, dass das Bauwerk unmittelbar dem Gewerbebetrieb dient, sodass der Turm der Windkraftanlage eine Betriebsvorrichtung ist.
3. Zusammenhang zum Gewerbebetrieb
Rz. 63
Sofern die Voraussetzungen für ein oder mehrere Gebäudemerkmale nicht erfüllt sind, liegt jedoch nicht zwingend eine Betriebsvorrichtung vor. Der Umkehrschluss ist also unzulässig. In diesen Fällen ist zu prüfen, ob das Bauwerksteil der Benutzung des Gebäudes ohne Rücksicht auf den gegenwärtig ausgeübten Gewerbebetrieb dient oder ob es in einer besonderen Beziehung zu diesem Betrieb steht.