1. Keine benutzbaren Gebäude vorhanden
Rz. 9
Die in § 72 Abs. 1 BewG gegebene Begriffsbestimmung des "unbebauten Grundstücks" knüpft daran an, dass benutzbare Gebäude nicht vorhanden sind. Dieses Nichtvorhandensein benutzbarer Gebäude kann ein Noch-nicht-Vorhandensein oder ein Nicht-mehr-Vorhandensein sein. Entscheidend für den Begriff eines unbebauten Grundstücks ist somit, dass sich auf dem Grundstück überhaupt kein Gebäude oder noch kein benutzbares oder ein nicht mehr benutzbares Gebäude befindet.
Rz. 10
Sind auf dem Grundstück bereits Baulichkeiten vorhanden, so ist zu prüfen, ob diese Bauwerke die Begriffsmerkmale eines Gebäudes aufweisen (vgl. hierzu § 68 BewG). Sind die Bauwerke nicht als Gebäude anzusehen, z.B. Baubaracken, ohne Fundamente auf den Boden aufgestellt, kleine Transformatorenhäuser, so ist das Grundstück ein unbebautes Grundstück. Ist dagegen ein auf einem Grundstück befindliches Bauwerk ein Gebäude, so ist für die Behandlung des Grundstücks als unbebautes oder als bebautes Grundstück weiter entscheidend, ob das Gebäude bereits bezugsfertig ist oder nicht. Im ersteren Fall ist das Grundstück ein bebautes, im letzteren Fall ein unbebautes. Die Benutzbarkeit eines Gebäudes beginnt im Zeitpunkt seiner Bezugsfertigkeit (§ 72 Abs. 1 Satz 2 BewG); sie endet im Zeitpunkt, in dem das Gebäude zerstört oder dem Verfall preisgegeben ist (§ 72 Abs. 3 BewG).
Rz. 11
Vom Zeitpunkt des Baubeginns bis zum Zeitpunkt der Bezugsfertigkeit eines Gebäudes befindet sich das Grundstück im Zustand der Bebauung. Das Grundstück gilt trotz des im Bau befindlichen, aber noch nicht benutzbaren Gebäudes noch als ein unbebautes Grundstück. Die Bewertung eines Grundstücks im Zustand der Bebauung ist in § 91 BewG geregelt.
Rz. 12
Hinzuweisen ist auf die Fälle, in denen ein anderer als der Eigentümer des Grund und Bodens hierauf ein Gebäude errichtet (Gebäude auf fremdem Grund und Boden). Für diese Fälle gilt die Sondervorschrift des § 94 BewG. Der Grund und Boden, auf dem das Gebäude errichtet ist, bildet, soweit er mit dem Gebäude in wirtschaftlichem Zusammenhang steht, nach § 94 Abs. 1 Satz 3 BewG eine selbständige wirtschaftliche Einheit. Er gilt nach bezugsfertiger Errichtung des Gebäudes als bebautes Grundstück derselben Grundstücksart wie das Gebäude selbst, allerdings mit der Maßgabe, dass der Wert gemäß § 94 Abs. 2 BewG nach den für unbebaute Grundstücke geltenden Grundsätzen zu ermitteln ist. Flächen, auf denen im Erbbaurecht ein Gebäude bezugsfertig errichtet ist, gelten ebenfalls nicht als unbebaut, sondern als bebaut (§ 92 Abs. 1 BewG).
2. Zeitpunkt der Bezugsfertigkeit
a) Allgemeine Grundsätze
Rz. 13
Ein Grundstück ist nur dann ein unbebautes Grundstück, wenn sich auf ihm keine benutzbaren, d.h. keine bezugsfertigen Gebäude befinden. Nach § 72 Abs. 1 Satz 3 BewG sind "Gebäude als bezugsfertig anzusehen, wenn den künftigen Bewohnern oder sonstigen Benutzern zugemutet werden kann, sie zu benutzen; die Abnahme durch die Bauaufsichtsbehörde ist nicht entscheidend".
Rz. 14
Die Frage, ob die Benutzung (das Beziehen) einer Wohnung bzw. eines Gebäudes zugemutet werden kann, ist nach objektiven Merkmalen unter Berücksichtigung der Verkehrsauffassung zu entscheiden. Für die Frage der zumutbaren Benutzung kommt es deshalb zunächst darauf an, ob es sich um ein Wohngebäude oder um ein Büro-/Geschäftsgebäude handelt und in welchem Bauzustand sich der Außen- und Innenbereich befindet. Auf die persönlichen Verhältnisse des im Einzelfall Betroffenen kommt es hingegen nicht an. Maßgebend müssen vielmehr die Ansprüche sein, die billigerweise unter Berücksichtigung der Verkehrssitte an ein zu beziehendes Gebäude gestellt werden können. Der tatsächliche Bezug lässt zwar den Schluss zu, dass die Wohnung zu diesem Zeitpunkt bezugsfertig war. Dieser Schluss ist aber nicht zwingend und widerlegbar. Ein Gebäude ist deshalb bezugsfertig, wenn die wesentlichen Bauarbeiten ausgeführt sind und nur noch unwesentliche Restarbeiten verbleiben.
Rz. 15
Bei der Entscheidung, ob ein Gebäude bezugsfertig ist, ist auf das ganze Gebäude, nicht auf die einzelnen Wohnungen oder Räume des Gebäudes abzustellen. Denn zu bewerten ist die ganze wirtschaftliche Einheit (§ 2 BewG). Sind beispielsweise die Wohnungen im Erdgeschoss vor einem Feststellungszeitpunkt bezugsfertig geworden (oder auch schon bezogen worden), die anderen Wohnungen des Gebäudes erst in dem mit diesem Feststellungszeitpunkt beginnenden Kalenderjahr, so ist das Gebäude erst zu dem darauf folgenden Feststellungszeitpunkt zu bewerten und das Grundstück als ein bebautes Grundstück anzusehen. Bis zu diesem Zeitpunkt ist das Grundstück noch als unbebautes Grundstück zu bewerten (vgl. jedoch § 91 BewG – Grundstück im Zustand der Beb...