Dipl.-Finw. (FH) Wilfried Mannek
Rz. 42
Der Gesetzgeber hat zwischenzeitlich reagiert. Mit dem Grundsteuerreform-Umsetzungsgesetz wurde der Kreis der Personen, die den Nachweis des niedrigeren gemeinen Werts führen können, in § 198 Abs. 2 BewG gesetzlich geregelt.
Danach kann ein Gutachten als Nachweis des niedrigeren gemeinen Werts dienen. Das Gutachten ist zu erstellen
- vom zuständigen Gutachterausschusses i.S.d. §§ 192 ff. BauGB,
- von öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen für die Bewertung von bebauten und unbebauten Grundstücken, oder
- von Personen, die von einer nach DIN EN ISO/IEC 17024 akkreditierten Stelle als Sachverständige oder Gutachter für die Wertermittlung von Grundstücken nach entsprechender Norm zertifiziert worden sind.
Hervorzuheben ist der Hinweis auf die erforderliche Zertifizierung als Gutachter für die Wertermittlung von Grundstücken. In der Praxis sind auch Sachverständige in der Wertermittlung tätig, die zwar eine Zertifizierung aufweisen, wobei sich diese jedoch auf die Wertermittlung von Grundstücken bezieht. In der Vergangenheit haben auch solche Sachverständige zum Teil Gutachten zum Nachweis des niedrigeren gemeinen Werts erstellt und erfolgreich beim FA eingereicht. Dieser Personenkreis wird für Bewertungsstichtage nach dem 22.7.2021 nicht mehr für den Nachweis zugelassen.
Rz. 42.1
Das FA wird Gutachten für Bewertungsstichtage nach dem 22.7.2021, die von einem nicht hinreichend nach § 198 Abs. 2 BewG qualifizierten Personenkreis erstellt worden sind, ohne inhaltliche Befassung und ohne inhaltliche Prüfung des Gutachtens zurückweisen. Dies ist gegenüber dem zuvor geltenden Recht für die Steuerzahler eine Einschränkung. Der in der Finanzamtspraxis wurde zuvor lediglich geprüft, ob der Sachverständige über eine entsprechende Qualifikation verfügte. Jedoch wurde die Zurückverweisung des Gutachtens nicht von einer mangelnden Qualifikation der Nachweisenden abhängig gemacht, sondern allenfalls mit etwaigen Mängeln des Gutachtens. Dies widerspricht zwar der in den gleich lautenden Ländererlassen vom 2.12.2020 wiedergegebenen Darlegung.
Auszugsweise lautet der Erlass:
"Die Finanzverwaltung hält weiterhin an ihrer Auffassung fest, dass der Steuerpflichtige den Nachweis des niedrigeren gemeinen Werts regelmäßig durch ein Gutachten des zuständigen Gutachterausschusses oder eines Sachverständigen, der über besondere Kenntnisse und Erfahrungen auf dem Gebiet der Bewertung von Grundstücken verfügt, erbringen kann (siehe u.a. R B 198 Absatz 3 Satz 1 ErbStR 2019). Dies sind Personen, die von einer staatlichen, staatlich anerkannten oder nach DIN EN ISO/IEC 17024 akkreditierten Stelle als Sachverständige oder Gutachter für die Wertermittlung von Grundstücken bestellt oder zertifiziert worden sind."
Rz. 42.2
Die Verwendung des Wortes "weiterhin" lässt darauf schließen, dass die Finanzverwaltung bereits zuvor nur Sachverständige des vorgenannten Personenkreises zum Nachweis des niedrigeren gemeinen Werts zugelassen hätte. Dies entspricht jedoch nicht der tatsächlichen Finanzamtspraxis, weil die Qualität des Gutachtens Vorrang vor der Qualifikation des Nachweisen Personenkreises hat.
Dennoch ist die nunmehr in § 198 Abs. 2 BewG eingeführte Beschränkung des Personenkreises gegenüber der Rechtsprechung des BFH als Ausweitung zu verstehen.
Rz. 42.3
Die FinVerw. weist mit ihren gleich lautenden Erlassen vom 7.12.2022 darauf hin, dass die nach DIN EN ISO/IEC 17024 akkreditierten deutschen Zertifizierungsstellen für Sachverständige für die Wertermittlung von Grundstücken und deren Akkreditierungsumfang tagesaktuell auf der Internetseite der Deutschen Akkreditierungsstelle (DAkkS) dargestellt sind. Im europäischen Ausland akkreditierte Zertifizierungs-stellen sind über die Internetseite der Europäischen Kooperation für Akkreditierung (EA) i.V.m. den Internetseiten der nationalen Akkreditierungsstellen abrufbar.
Rz. 42.4
Unter der Internetadresse www.dakks.de werden beispielsweise folgende Zertifizierungsstellen aufgelistet (Stand 13.3.2024):
- DIA Consulting Aktiengesellschaft DIAZert
- Sprengnetter Zertifizierung GmbH
- Institut für Qualitätssicherung & Zertifizierung GmbH & Co. KG – IQ – ZERT
- EIPOSCERT GmbH
- Hochschule Anhalt izert Zertifizierungsstelle für Immobilienbewertung
Rz. 42.5
Nach Auffassung der FinVerw. muss die öffentliche Bestellung oder Zertifizierung im Zeitpunkt der Erstellung des Sachverständigengutachtens gegeben sein. Im Rechtsbehelfsverfahren kann ggf. ein erneutes Gutachten eingereicht werden, das die Anforderungen an die Qualifikation des Gutachters erfüllt.
In der Praxis dürfte insb. für die Steuerberaterschaft von Bedeutung sein, dass die Nachweislast des Steuerpflichtigen auch den Qualifikationsnachweis des Gutachters umfasst. Deshalb empfiehlt sich vor der Beauftragung eines Sachverständigen eine sorgfältige Prüfung, ob die zu beauftragende Person die Anforderungen der Qualifizierung des § 198 Abs. 2 BewG erfüllt.