Rz. 601
Unter dem in § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 GrStG verwendeten Tatbestandmerkmal öffentlicher Dienst oder Gebrauch ist entsprechend § 3 Abs. 2 GrStG sowohl die hoheitliche Tätigkeit als auch der bestimmungsgemäße Gebrauch durch die Allgemeinheit zu verstehen. Mit dem Sammelbegriff öffentlicher Dienst oder Gebrauch soll die aufwendige Unterscheidung entfallen, welches der beiden Merkmale im Einzelfall tatsächlich vorliegt. Inhaltlich gehen beide Begriffe ineinander über. Konkret muss sich der öffentliche Dienst bzw. Gebrauch auf die im Verwaltungsgebrauch oder Gemeingebrauch stehenden Grundstücke als sog. öffentlichen Sachen beziehen. Kein Bestandteil der Gruppe der öffentlichen Sachen ist das sog. Finanzvermögen von juristischen Personen des Öffentlichen Rechts, welches lediglich aus rein finanziellen Gründen zur Finanzierung öffentlicher Ausgaben gehalten wird (z.B. kommunale Mietwohnungen).
Rz. 602
Die Herstellung oder Gewinnung von Gegenständen, die im Rahmen eines öffentlichen Diensts oder Gebrauchs verwendet werden sollen, ist nicht als öffentlicher Dienst oder Gebrauch i.S.d. § 3 Abs. 2 GrStG anzusehen. Dagegen kann in der Benutzung eines Grundstücks zur Lagerung solcher Gegenstände ein öffentlicher Dienst oder Gebrauch bestehen.
Rz. 603
Hoheitliche Tätigkeit bedeutet die Erfüllung von Hoheitsaufgaben. Es muss sich dabei um Aufgaben handeln, die der juristischen Person des öffentlichen Rechts eigentümlich und ausschließlich vorbehalten sind. Ein Hoheitsbetrieb liegt insb. dann vor, wenn er Leistungen erbringt, zu deren Annahme der Leistungsempfänger auf Grund gesetzlicher oder behördlicher Anordnung verpflichtet ist (Annahmezwang). Grundbesitz, der für die Zwecke von Gebietskörperschaften, Personalkörperschaften oder Anstalten des öffentlichen Rechts, für die Zwecke der Bundeswehr, der ausländischen Streitkräfte und internationalen militärischen Hauptquartiere, des polizeilichen und sonstigen Schutzdienstes, für die Zwecke eines Hoheitsbetriebs benutzt wird, dient der Erfüllung von Hoheitsaufgaben.
Rz. 604
Nicht erforderlich für die Annahme einer hoheitliche Tätigkeit ist, dass diese ausschließlich durch einen Hohheitsbetrieb ausgeübt werden kann. Die Annahme einer hoheitlichen Tätigkeit wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass auch ein Dritter auf privatrechtlicher Grundlage für einen öffentlich-rechtlichen Zweck tätig wird, z.B. ein geeignetes Grundstück zur Verfügung stellen kann. Die Art der Erfüllung der öffentlichen Aufgabe braucht der betreffenden juristischen Person nicht vorbehalten zu sein.
Beispiel:
Bereitstellung eines Grundstücks entsprechend einer bilateralen Vereinbarung über die gegenseitige Überlassung von Grundstücken zur Errichtung von Botschaftsgebäuden an einen ausländischen Staat.
Damit wird eine öffentlich-rechtliche Aufgabe als Hoheitsaufgabe, nämlich die Pflege der Beziehungen zu einem auswärtigen Staat, Art. 32 Abs. 1 GG, erfüllt. Unerheblich ist, wenn nach geltendem Recht stehe die Nutzungsüberlassung inländischen Grundbesitzes für Botschaftszwecke fremder Staaten jedem Grundstückseigentümer offen und damit nicht einem bestimmten Personenkreis vorbehalten ist. Daraus folgt jedenfalls nicht, dass es sich bei der Überlassung des Grundstücks für einen ausländischen Staat nicht um eine hoheitliche Tätigkeit i.S.d. Befreiungsvorschriften des GrStG handeln könne. Entscheidend ist, dass das Grundstück nicht auf privatrechtlicher Grundlage, sondern auf Grund öffentlichen Rechts – hier zwischenstaatlicher Vereinbarung – überlassen wird.
Rz. 605
Behördenkantinen gelten als für die Zwecke eines Hoheitsbetriebs benutzt, wenn sie derart eng mit der Erfüllung der hoheitlichen Tätigkeit der Behörde zusammenhängen, dass sie als ein notwendiges Hilfsmittel zur Erfüllung der öffentlichen Aufgaben anzusehen sind. Das gilt auch für verpachtete Kantinen und vermietete Kantinenräume. Keine Hoheitsbetriebe sind dagegen u.a. Kreditinstitute, Versorgungsbetriebe und Verkehrsbetriebe der öffentlichen Hand sowie andere Betriebe gewerblicher Art von juristischen Personen des öffentlichen Rechts.
Rz. 606
Eine bei der Körperschaftsteuer – vgl. § 4 Abs. 5 Satz 1 KStG – und bei der Gewerbesteuer – vgl. § 2 Abs. 2 Satz 1 GewStDV – getroffene Entscheidung des Finanzamtes, ob ein Hoheitsbetrieb vorliegt, ist grundsätzlich für die Grundsteuer zu übernehmen. Aus Sicht des Steuerpflichtigen ist es damit jedoch nicht ausgeschlossen, mit Rechtsmitteln gegen eine Ablehnung einer Grundsteuerbefreiung vorzugehen.
Rz. 607
Ein Gebrauch durch die Allgemeinheit liegt vor, wenn der Personenkreis, dem die Benutzung des Grundbesitzes vorbehalten ist, als Öffentlichkeit angesehen werden kann. Er darf weder fest umgrenzt noch dauerhaft klein sein. Die Benutzung des Grundstücks durch die Öffentlichkeit muss grundsätzlich z.B. durch Satzung, Widmung, festgelegt sein. Es genügt insoweit, dass die Benutzung seiten...