Rz. 10
Aus kulturellem Interesse können Bibliotheken, Archive, Kunstgegenstände, Kunst- und wissenschaftliche Sammlungen sowie – auch aus Allgemeinwohlinteressen (i.d.R. Denkmalschutz) – Grundbesitz und Teile von Grundbesitz nach § 13 Abs. 1 Nrn. 2, 3 ErbStG teilweise (Nr. 2 Satz 1 Buchst. a) oder sogar völlig (Nr. 2 Satz 1 Buchst. b, Nr. 3 Satz 1) steuerfrei erworben werden. Hierbei handelt es sich um eine – übrigens auch bei der Bemessung der Ersatzerbschaftsteuer zu berücksichtigende – qualitative Privilegierung; insoweit erfolgt also keine Zusammenrechnung mit anderen Erwerben im Rahmen des § 14 ErbStG. Die Finanzverwaltung will allerdings nur solche Kulturgüter begünstigen, die sich im Inland, einem Mitgliedstaat der EU oder einem Staat des Europäischen Wirtschaftsraums befinden und mindestens zehn Jahre dort verbleiben (arg. Nr. 2/3 Satz 2).
Rz. 11
Sofern für Kunstgegenstände nicht auch eine Steuervergünstigung als "andere bewegliche körperliche Gegenstände", ggf. sogar als "Hausrat", nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. Abs. 3 Satz 1 ErbStG in Betracht kommt, kann es entscheidend sein, ob sie als Einzelstücke oder als Bestandteil(e) einer Sammlung erworben werden. Am Beispiel des Erwerbs einer Kunstsammlung wertvoller Expressionisten zeigte der BFH praktikable Regeln auf, die eine zielführende Gestaltung erleichtern mögen:
Es ist Sache des Steuerpflichtigen, die tatbestandlichen Voraussetzungen der Steuerprivilegierung, ggf. gutachterlich, nachzuweisen. Dies sind
für eine partielle Steuerbefreiung der Gegenstände nach Nr. 2 Buchst. a:
- ihre im öff. Interesse liegende künstlerische, geschichtliche oder wissenschaftliche Bedeutung,
- ihre Unrentabilität
sowie ihre, auch nach dem Erwerb mögliche, Nutzbarmachung für Zwecke der Forschung oder Bildung;
für eine vollständige Steuerbefreiung der Gegenstände nach Nr. 2 Buchst. b zusätzlich
nach Buchst. aa: die (subjektive) Bereitschaft des Erwerbers, sie den Bestimmungen der Denkmalpflege zu unterstellen
– Unterliegen sie nicht bereits durch Eintragung in ein Denkmalbuch dem Denkmalschutz, kommt es darauf an, ob sich die Finanzbehörden, ggf. auch die Finanzgerichte, durch andere Maßnahmen überzeugen lassen. Im Streitfall hatte sich der Erwerber zwar nicht gegenüber der Denkmalbehörde, aber schon gut drei Monate nach dem Erwerb durch einen Leih- und Kooperationsvertrag mit einer Museumsstiftung auf mindestens zehn Jahre verpflichtet, den gesamten Kunstbesitz oder einzelne Werke bei Bedarf für Ausstellungszwecke sowie für Forschung und Wissenschaft zu überlassen und die Sammlung konservatorisch zu erhalten. Dies genügte dem BFH, der allerdings beiläufig auch darauf hinwies, dass der Erwerber tunlichst innerhalb von sechs Monaten nach Kenntnis von seinem Erwerb initiativ werden müsse. –
und nach Buchst. bb: die Gegenstände müssen
- im Erwerbszeitpunkt (§ 11 ErbStG)
- entweder sich bereits 20 Jahre im Familienbesitz befunden haben
- oder als national wertvolles Kulturgut amtlich verzeichnet gewesen sein.
Grundbesitz bzw. Teile davon, die freiwillig der Allgemeinheit zur Nutzung zur Verfügung stehen und im öffentlichen Interesse erhaltenswert sind, können allein bei Unrentabilität völlig steuerfrei erworben werden (Nr. 3 Satz 1).
Außerdem dürfen diese Voraussetzungen nicht innerhalb von zehn Jahren nach dem Erwerb entfallen und die begünstigten Gegenstände während dieser Behaltefrist nicht veräußert werden (Nr. 2/3 Satz 2 – s. Anm. 13).
Gegenständliche Betrachtung: "Der Begriff Gegenstände bezeichnet die einzelnen zu einer Kunstsammlung gehörenden Kunstwerke..."
Im Streitfall war die Mindestbesitzfrist für vier (nicht amtlich gelistete) Kunstwerke noch nicht erfüllt; sie blieben daher nur mit 60% ihres Werts steuerfrei. Für ein im vierten Jahr nach dem Erwerb verkauftes Gemälde entfiel die Steuerbefreiung.
Rz. 11.1
Entsprechendes dürfte gelten beim Erwerb wissenschaftlicher Sammlungen, von Bibliotheken und Archiven.
Rz. 11.2
Beachten Sie: Mit Wirkung ab 6.8.2016 wurde das Gesetz zum Schutz deutschen Kulturgutes gegen Abwanderung v. 8.7.1999 durch das Kulturgutschutzgesetz (KGSG) vom 31.7.2016 abgelöst und § 13 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b, Doppelbuchst. bb ErbStG zugleich entsprechend geändert. In jedem Bundesland existiert nun ein Verzeichnis national wertvollen Kulturgutes, in dem die in den bisher geführten Verzeichnissen national wertvollen Kulturgutes und national wertvoller Archive eingetragenen Kulturgüter als Bestandteile enthalten sind (§§ 7, 90 Abs. 1 KGSG). Als schützenswertes Kulturgut gilt begrifflich "jede bewegliche Sache oder Sachgesamtheit von künstlerischem, geschichtlichem oder archäologischem Wert oder aus anderen Bereichen des kulturellen Erbes, insbesondere von paläontologischem, ethnographischem, numismatischem oder wissenschaftlichem Wert" (§ 2 Abs. 1 Nr. 10 KGSG). – Hinzuweisen ist auf das inzwischen installierte Internetportal zum Kulturgutschutz (§§ 4, ...