1. Allgemeines
Rz. 41
Bei den in § 82 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BewG aufgeführten Beeinträchtigungen – Lärm, Rauch, Gerüche –, die zu einer Ermäßigung des Werts des Grundstücks führen können, handelt es sich um solche Umstände, die von außen auf das Grundstück einwirken. Nach dem ausdrücklichen Gesetzeswortlaut führen derartige Einwirkungen zu einem Abschlag, wenn es sich um ungewöhnlich starke Beeinträchtigungen handelt. Ein Abschlag wegen ungewöhnlich starker Beeinträchtigung wird im allgemeinen nur bei einzelnen, besonders intensiven Belastungen ausgesetzten Grundstücken bzw. einer kleinen überschaubaren Gruppe extra belasteter Grundstücke in Betracht kommen. Subjektive Empfinden des beeinträchtigten Steuerpflichtigen können nicht mit einer ungewöhnlich starken Beeinträchtigung gleichgesetzt werden. Wertmindernde Beeinträchtigungen eines Grundstücks können vielfältiger Art sein. Bei einem Wohngrundstück können diese z.B. dadurch verwirklicht werden, dass in unmittelbarer Nähe dazu eine Fabrik mit starker Rußentwicklung, eine Zementfabrik, ein Müllabladeplatz oder die Einflugschneise eines Großflughafens liegt. Für Grundstücke, von denen die entsprechende Beeinträchtigung, z.B. Gewerbelärm, ausgeht, wird ein Abschlag nicht gewährt.
Rz. 42
Die in § 82 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BewG aufgezählten Fälle führen aufgrund des beispielhaften Charakters zu keiner Einschränkung der für einen Abschlag berücksichtigungsfähigen Umstände bzw. zu keinem Ausschluss anderer vergleichbarer Umstände, wie z.B. Staub, Ruß und Dämpfe. Allerdings bedarf es auch bei den in § 82 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BewG nicht ausdrücklich genannten, jedoch vergleichbaren Umständen des Erfordernisses einer ungewöhnlich starken Beeinträchtigung.
Rz. 43
Die Beantwortung der Frage nach der ungewöhnlichen Stärke der Beeinträchtigung kann nicht allgemein erfolgen, sondern ist jeweils anhand der konkreten Umstände des zur Beurteilung anstehenden Einzelfalls vorzunehmen. Maßgeblich dafür sind insbesondere die örtlichen Verhältnisse. Auch die Nutzung des Grundstücks kann eine wesentliche Bedeutung haben. Z.B. kann ein Bürogebäude durch den Lärm eines sehr lauten Nachtlokals oder Biergartens grundsätzlich nicht beeinträchtigt werden. Demgegenüber kann dies aber durchaus der Fall bei einem Einfamilien- oder Mehrfamilienwohnhaus sein. Bei einem Wohngrundstück bedeutet dies, dass die Bewohner gezwungen sein müssen, ihre Lebensgewohnheiten bzgl. der Nutzung des Grundstücks in einer Weise einzuschränken, die bei einer üblichen Benutzung des Grundstücks in seiner konkreten Beschaffenheit nicht mehr hingenommen werden kann.
Rz. 44
Auch wenn eine Beeinträchtigung von außergewöhnlicher Stärke im Einzelfall vorliegt, muss zusätzlich geprüft werden, ob sich dieser wertmindernde Umstand nicht bereits in der Jahresrohmiete ausgewirkt hat. Naheliegenderweise kann die Beeinträchtigung der Wohngrundstücke einer Großstadt durch Straßenverkehrslärm in der für Großstädte typischen Schwankungsbreite in die sich aus dem Mietspiegel ergebenden üblichen Mieten eingegangenen sein. Dies ist in jedem zur Beurteilung anstehenden Fall gesondert zusätzlich und sorgfältig zu prüfen.
Rz. 45
Betreffen nachträgliche Änderungen der einschlägigen tatsächlichen Umstände nicht nur einzelne Grundstücke, sondern ganze Wohngebiete, sind von den berücksichtigungsfähigen tatsächlichen Änderungen für einzelne Grundstücke solche nicht berücksichtigungsfähigen Entwicklungen abzugrenzen, die im Zuge einer allgemeinen Veränderung der Wertverhältnisse für beträchtliche Teile im Bundesgebiet in Betracht kommen und auf eine Veränderung der allgemeinen politischen, wirtschaftlichen und Verkehrsverhältnisse beruhen. Diese kommen für einen Bewertungsabschlag nicht in Betracht. Eine Berücksichtigung derartiger allgemeiner Veränderungen würde im Ergebnis eine Hauptfeststellung ersetzen, die vom Gesetzgeber aber nur für Hauptfeststellungszeitpunkte vorgesehen ist.
Rz. 46
Unerheblich ist, ob die geltend gemachten Beeinträchtigungen jeweils durch den Steuerpflichtigen abwendbar waren oder sind. Eine Minderung des Grundstückswerts i.S.d. § 82 Abs. 1 BewG bleibt ohne Rücksicht auf einen etwaigen Beseitigungs- oder Unterlassungsanspruch und dessen tatsächliche Durchsetzung bis zum tatsächlichen Wegfall der Beeinträchtigung bestehen.
Rz. 47
Der nach § 82 BewG für Lärm, Rauch, Geruch etc. vorzunehmende Bewertungsabschlag betrifft sowohl den Boden als auch das Gebäude. Bemessungsgrundlage ist somit der ungekürzte Grundstückswert:
Beispiel
Das Gebäude auf dem Grundstück ist ein als Massivbau errichtetes Einfamilienhaus (Baujahr 1930). Das Grundstück befindet sich in einer Gemeinde mit über 500.000 Einwohnern. Die Jahresrohmiete beträgt 10.000 EUR. Für eine vorhandene Lärmbelästigung muss der Gesamtwert nach § 82 Abs. 2 Nr. 1 BewG um 5 % reduziert werden.
Der Gesamtwert berechnet sich wie folgt:
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EUR |
10.000 EUR × 10, 2 (vgl. Anlage ... |