Schrifttum:
Brückendorf, Abschlag wegen unorganischen Aufbaus und Wertminderung wegen wirtschaftlicher Überalterung, DStR 1975, 522; Kilinger, Überlegungen zur Ermittlung angemessener Abschläge gem. § 88 Abs. 2 BewG wegen wirtschaftlicher Überalterung und unorganischen Aufbaus, DB 1979, 1010.
1. Begriff und Anwendungsbereich
Rz. 51
Gem. § 88 Abs. 2 Alt. 2 BewG kann auch ein Sonderabschlag vom Gebäudesachwert wegen eines unorganischen Aufbaus erfolgen. Durch einen Abschlag wegen unorganischen Aufbaues soll der Minderwert berücksichtigt werden, den das Grundstück wegen seiner unwirtschaftlichen Gebäudegestaltung und der dadurch verursachten Kostensteigerung bei den dort hergestellten Gütern oder erbrachten Dienstleistungen erfährt.
Rz. 52
Vielfach ist ursächlich für einen unorganischen Aufbau des Betriebsgebäudes, dass die Gebäude nicht einheitlich nach einem von vornherein feststehenden Plan, sondern entsprechend dem jeweiligen Bedarf sukzessive errichtet worden sind. Der unorganische Aufbau kann auch darauf beruhen, dass infolge von Produktionssteigerungen einzelner Geschäftsbereiche die vorhandene Nutzfläche nicht mehr ausreichend ist und der notwendige Erweiterungsbau nunmehr an einer ungünstiger liegenden Stelle errichtet werden muss.
Rz. 53
Ein Abschlag wegen unorganischen Aufbaus kommt aufgrund der Voraussetzung einer güterbezogenen Kostensteigerung in erster Linie bei Fabrikgrundstücken in Betracht. Von einem unorganischen Aufbau eines Fabrikgrundstücks kann ausgegangen werden, wenn sich durch die ungünstige Anordnung aller oder einzelner Betriebsgebäude eine wesentliche Behinderung bei jeder denkbaren Nutzung des Grundstücks ergibt, durch die sich Produktion oder ein sonstiger Geschäftsbetrieb unverhältnismäßig verteuert. Davon kann aber nicht bereits deshalb ausgegangen werden, weil ältere Gebäude nicht stets dem letzten Stand der Technik entsprechen. Zur Feststellung, ob ein unorganischer Aufbau vorliegt, darf der Betrieb, für dessen Gebäudebestand ein Abschlag begehrt wird, nicht mit einem Muster- oder Idealbetrieb verglichen werden. Maßstab sollte insoweit der nach allgemeinen betriebswirtschaftlichen Regeln ordentlich geführte Betrieb sein (sog. Normalbetrieb).
Rz. 54
Aus der erforderlichen Orientierung am gemeinen Wert nach § 9 BewG folgt, dass die Frage nach dem Vorliegen eines unorganischen Aufbaus losgelöst von dem konkreten Betrieb, aus der Sicht der allgemeinen Verwendbarkeit des Grundstücks für den jeweiligen Zweck – insbesondere Fabrikationszweck – zu beurteilen ist. Maßgeblich sind dafür die Verhältnisse eines herkömmlichen Betriebs ohne Rücksicht auf die jeweilige Branche, in der das betreffende Grundstück verwendet wird. Das Erfordernis der Verhältnisse eines herkömmlichen Betriebs ergibt sich aus dem Umstand, dass sich der für den gemeinen Wert maßgebliche Preis durch Angebot und Nachfrage auf dem allgemeinen Grundstücksmarkt bildet. Dafür ist auf die Verhältnisse eines Fabrikgrundstücks eines Normalbetriebs ohne Rücksicht auf die Branche, für die das Fabrikgrundstück genutzt wird, abzustellen.
Rz. 55
Ein unorganischer Aufbau wird im Allgemeinen ausschließlich beim Vorhandensein mehrerer Betriebsgebäude in Betracht kommen. Gehört zu einer wirtschaftlichen Einheit nur ein Betriebsgebäude, kann jedoch ausnahmsweise ein Abschlag wegen unorganischen Aufbaus zu gewähren sein, wenn das einzelne Betriebsgebäude durch Anbau selbst sukzessive vergrößert worden ist und in der Folgezeit der Produktionsfluss durch die unzweckmäßige Anordnung der Räume in erheblichem Maße beeinträchtigt wird.
Rz. 56
Beispiel 1:
Ein Fabrikbetrieb braucht eine größere Kesselanlage und eine größere Kraftzentrale. Eine Vergrößerung des vorhandenen Kessel- und Maschinenhauses ist aus Platzmangel nicht möglich. Der Eigentümer des Betriebs muss deshalb zur Ergänzung ein neues Kesselhaus und ein neues Gebäude für die Kraftzentrale an einer anderen Stelle auf dem dort vorhandenen freien Raum errichten.
Beispiel 2:
Infolge der Aufnahme weiterer Betriebszweige, z.B. durch eine Fabrik, die für die verschiedensten Bereiche der Ausrüstungsindustrie tätig ist, erfolgte im Lauf der Zeit bei Bedarf eine sehr enge Bebauung des Grundstücks, die nicht genügend Hoffläche zum Transport übrig lässt, mit kleineren selbständigen Gebäuden. Die Produktion wäre betriebswirtschaftlich günstiger, wenn die Herstellung der Fabrikate in einer einheitlichen großen Halle anstatt in den vorhandenen zahlreichen kleineren Gebäuden erfolgen würde.
Rz. 57
Bei einem einstufigen Betrieb, dessen Betriebsgebäude sich auf zwei voneinander entfernten Grundstücken befinden, kann wegen der verstreuten Lage der Fabrikgebäude ein Abschlag wegen unorganischen Aufbaus in Betracht kommen, wenn der einheitliche Organismus des Betriebs dadurch beeinträchtigt wird. Liegen dagegen bei einem Betrieb mit mehreren Fertigungsstufen die Grundstücke bzw. Fabrikgebäude der einzelnen Stufenbetriebe in unorganischer ...