1. Anwendung der Norm
Rz. 24
Satz 2 setzt, ausdrücklich anknüpfend an § 1 Abs. 1 Nr. 1 – 3 ErbStG, tatbestandlich den erbschaft-/schenkungsteuerbaren Erwerb einer rechtsfähigen Personengesellschaft voraus (s. Rz. 19). Man akzeptiert damit zwar, dass solche Personengesellschaften zivilrechtlich sowohl von Todes wegen (§ 3 ErbStG) als auch durch Schenkung unter Lebenden (§ 7 ErbStG) bereichert werden sowie Empfänger sie belastender Zweckzuwendungen (§ 8 ErbStG) sein können. In einschlägigen Erwerbsfällen greift aber dann die Fiktion des Satzes 2: Erwerber i.S.d. ErbStG (für Zwecke der Erbschaft- und Schenkungsteuer [Satz 1]) sind ihre Gesellschafter, umkehrschließend also nicht die Gesellschaft. Der Standpunkt des II. BFH-Senats, bei steuerbarem Erwerb einer Personengesellschaft trotz Anerkennung ihrer vermögensrechtlichen Selbstständigkeit aufgrund "§§ 718 f. BGB" weiterhin deren Gesellschafter als Erwerber zu behandeln, wird nun in Gesetzesform gegossen. Die Vorschrift dient demnach der Fortführung des Transparenzprinzips.
Rz. 25
Satz 2 strukturiert die Rechtsanwendung (ebenso Satz 3, s. Rz. 85). Deutlich wird zwischen Tatbestand und Rechtsfolge unterschieden:
- Der Tatbestand wird allein von der Gesellschaft verwirklicht: Eine rechtsfähige Personengesellschaft muss Erwerberin i.S.d. §§ 3, 7 oder 8 ErbStG sein. Ob und inwieweit sie steuerbar und gegenständlich bereichert wird/wurde, ist anhand dieser Vorschriften und grundsätzlich unter Beachtung des Zivilrechts zu prüfen (s. Rz. 28 ff., 51 ff.). Die Höhe ihrer Bereicherung richtet sich nach dem Steuerwert ihres Erwerbs (§§ 10 Abs. 1, 12 ErbStG; s. Rz. 55 ff.).
- Die Rechtsfolge trifft die Gesellschafter: Ihre Gesellschafter sind als persönlich steuerpflichtige Erwerber anteilig in Anspruch zu nehmen (s. Rz. 49, 59 ff.). Dies ist die gesetzliche Folge der Fiktion. Einer eigenständigen erbschaft-/schenkungsteuerlichen Prüfung bedarf es hierzu nicht.
Rz. 26
"Allein maßgebend ist die Gesetzeslage." Dies gilt selbstverständlich auch für den II. BFH-Senat, der zuletzt die gegenständliche Bereicherung einer Mitgesellschafterin des Schenkers in der mittelbar bewirkten Werterhöhung ihrer als Werterecht bezeichneten Gesellschaftsbeteiligung sah. Sollte er damit in eine Sackgasse geraten sein, könnte er sich nun nach § 2a Satz 2 ErbStG gesichtswahrend neu orientieren. Die Gelegenheit hierzu bietet bereits ein derzeit zu Az. II R 18/23 anhängiges Revisionsverfahren (s. Rz. 70; auch § 7 ErbStG Rz. 26). Im dortigen Streitfall geht es um eine zwischen Ehegatten gegründete Grundstücks-GbR, wobei allein die Ehefrau den gesamten Grundbesitz in das Gesellschaftsvermögen einbrachte. Vielleicht kommt man hier aber erst gar nicht zur Anwendung von Satz 2; denn sog. überproportionale Sacheinlagen einzelner Gesellschafter in Gründungsfällen wurden einst unmittelbar den Mitgesellschaftern als Erwerb der derart ausgestatteten Gesellschaftsanteile zugerechnet.
Rz. 27
Einstweilen frei.
2. Steuerbare Erwerbstatbestände
a) Erwerbe von Todes wegen i.S.d. § 3 ErbStG
Rz. 28
Zivilrechtlich beseitigte das MoPeG eventuelle Bedenken gegen die (passive) Erbfähigkeit rechtsfähiger Personengesellschaften. Testamentarisch oder erbvertraglich zu Erben eingesetzt oder zu Vermächtnisnehmern bestimmt, können sie daher durch Erbanfall oder Vermächtnis die Tatbestände des § 3 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1 und/oder 2 ErbStG verwirklichen, pflichtteilsberechtigt sind sie natürlich nicht (§ 2303 BGB).
Da sie am Rechtsverkehr teilnehmen (§ 705 Abs. 2 Alt. 1 BGB), sind auch Erwerbe nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 und 4 ErbStG denkbar; § 3 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG wird nicht einschlägig sein (s. § 3 ErbStG Rz. 215). Möglich sind auch Fälle, die in § 3 Abs. 2 ErbStG genannt werden (mit Ausnahme von Nr. 1, Nr. 4 Alt. 1) sowie, bei Einsetzung einer rechtsfähigen Personengesellschaft als auflösend bedingte Vorerbin/Vorvermächtnisnehmerin oder Nacherbin/Nachvermächtnisnehmerin, Erwerbsvorgänge, die nach § 6 ErbStG zu beurteilen bzw. zu handhaben sind. – Ob es in der Praxis kün...