Dipl.-Finw. (FH) Wilfried Mannek
Rz. 3
§ 186 Abs. 1 BewG regelt die Ermittlung des Rohertrags eines bebauten Grundstücks, soweit es vermietet wird.
Rz. 4
Nach § 186 Abs. 1 BewG ist der Rohertrag das Entgelt, das für die Benutzung des bebauten Grundstücks nach den am Bewertungsstichtag geltenden vertraglichen Vereinbarungen für den Zeitraum von zwölf Monaten zu zahlen ist. Somit geht die Regelung von einem vermieteten Objekt aus, bei dem in tatsächlicher Hinsicht ein Entgelt geschuldet wird. Sofern kein Entgelt gezahlt wird oder keine Vermietung erfolgt, ist als Rohertrag die übliche Miete nach § 186 Abs. 2 BewG anzusetzen.
Rz. 5
Der Ansatz des Entgelts als Rohertrag richtet sich nach den vertraglichen Vereinbarungen. Damit ist das Entgelt maßgebend, das aus dem Vertragsverhältnis heraus geschuldet wird. Nicht anzusetzen ist das Entgelt, das tatsächlich gezahlt wird. Somit handelt es sich bei dem Entgelt um ein Soll-Entgelt (Soll-Miete). Das Ist-Entgelt (Ist-Miete) ist nicht maßgebend. Das gilt auch in den Fällen, in denen die Miete endgültig ausfällt. Trotz des Mietausfalls und des damit verbundenen geringeren Ertrags muss nach der durch § 186 Abs. 1 BewG vorgeschriebenen Maßgeblichkeit der vertraglichen Vereinbarungen zum Bewertungsstichtag eine Bewertung auf der Grundlage der vereinbarten Miete vorgenommen werden.
Rz. 6
Die vertraglich vereinbarte Sollmiete bleibt auch dann maßgebend, wenn im Einzelfall tatsächlich eine höhere Miete gezahlt wird, als dies üblich ist.
Rz. 7
Der Rohertrag entspricht einer "Kaltmiete", weil die Umlagen, die zur Deckung der Betriebskosten gezahlt werden, nach § 186 Abs. 1 Satz 2 BewG nicht anzusetzen sind.
Rz. 8– 10
Einstweilen frei.
1. Entgelt am Bewertungsstichtag
Rz. 11
Die Ermittlung des Rohertrags richtet sich nach den vertraglichen Vereinbarungen, die am Bewertungsstichtag gelten. Mithin gelten die Verhältnisse, die am Bewertungsstichtag tatsächlich vorliegen. Der am Bewertungsstichtag maßgebende Rohertrag ist auf einen Zeitraum von zwölf Monaten um- oder hochzurechnen. Mit dieser gesetzlichen Vorgabe kommt es bei der Ermittlung des Rohertrags also nicht auf eine subjektiv prognostizierte Ertragserwartung an. Allein maßgebend ist der Befund der vertraglichen Vereinbarung am Bewertungsstichtag.
a) Zwölf-Monats-Zeitraum
Rz. 12
Es ist nicht vorgesehen, den Rohertrag rückschauend zu ermitteln. Ebenso wenig ist es zulässig, den erwarteten Ertrag anhand einer Prognose anzusetzen. Stattdessen muss der am Bewertungsstichtag vertraglich vereinbarte Rohertrag auf einen – abstrakten – Zeitraum von zwölf Monaten umgerechnet werden.
Beispiel
Ein Grundstück wird seit fünf Jahren unverändert zu einer Miete von 10 EUR/m[2] vermietet. Einen Monat vor der Übertragung des Grundstücks von Todes wegen hatte der Erblasser eine Mieterhöhung auf 11,50 EUR/m[2] durchgesetzt.
Bei der Bewertung ist ein Jahresrohertrag auf der Basis von 11,50 EUR/m[2] zu ermitteln, weil dieses Entgelt nach den vertraglichen Vereinbarungen am Bewertungsstichtag für den Zeitraum von zwölf Monaten zu zahlen ist. Die ursprüngliche Vermietung zu einem Preis von 10 EUR/m[2] ist nicht zu berücksichtigen.
Rz. 13
Wird ein Grundstück unentgeltlich übertragen und unmittelbar nach dem Erwerb die bisherige Miete erhöht, kann die Mieterhöhung nicht in den Rohertrag einbezogen werden, weil die Mieterhöhung am Bewertungsstichtag noch nicht Bestandteil der vertraglichen Vereinbarungen war. Insofern können nur die bis zum Bewertungsstichtag verwirklichten Tatbestände Berücksichtigung finden. Nach dem Bewertungsstichtag eintretende Umstände schlagen bei der Ermittlung des Rohertrags nicht durch.
Rz. 14
Die Maßgeblichkeit des Bewertungsstichtags schließt nicht nur die Berücksichtigung von vertraglichen Vereinbarungen aus, die sich nach dem Bewertungsstichtag ändern. Auch hinsichtlich des tatsächlichen Zustands oder der tatsächlichen Nutzung des Grundstücks muss im Einzelfall entschieden werden, ob sich diese Umstände auf den Rohertrag iS des § 186 Abs. 1 BewG auswirken. Wird ein Grundstück oder ein Teil davon am Bewertungsstichtag wegen Modernisierungsarbeiten nicht vermietet, ist nicht die vor der Modernisierung tatsächlich vereinbarte Miete anzusetzen, sondern die übliche Miete. Denn am Bewertungsstichtag sind wegen des Leerstands die Voraussetzungen für den Ansatz der üblichen Miete nach § 186 Abs. 2 Nr. 1 BewG erfüllt. Beim Ansatz der üblichen Miete ist von dem Zustand des Grundstücks oder Grundstücksteils auszugehen, der vor der Modernisierung vorgelegen hat. Somit werden auch in diesem Fall nur Tatbestände berücksichtigt, die am bzw. bis zum Bewertungsstichtag verwirklicht s...