Dipl.-Finw. (FH) Gerhard Bruschke
Rz. 19
Die Bedeutung der Vorschrift liegt grundsätzlich in der gesetzlichen Festlegung der Hauptfeststellung. Dabei kommt dem zeitlichen Aspekt lediglich eine untergeordnete Rolle zu. Durch die turnusmäßig wiederkehrende Feststellung der wirtschaftlichen Einheiten sollte eine Anpassung der Werte an die tatsächlichen Verhältnisse erfolgen, da sich diese im Zeitablauf kontinuierlich verändern.
Rz. 20
Dass dieses Ziel letztlich nicht mehr vorrangig ist, liegt im Wesentlichen daran, dass die Einheitsbewertung nur noch eine sehr eingeschränkte Bedeutung für die Realsteuern und einige landesrechtlich geregelte Steuern und Abgaben hat. Die bei Erlass des Gesetzes bestehende Bedeutung auch für die Grunderwerbsteuer, die Vermögensteuer und die Erbschaft- und Schenkungsteuer ist zwischenzeitlich entfallen (s. Anm. 1 ff.).
Rz. 21
Die bestehende Ungleichgewichtung zwischen dem realen Wert der wirtschaftlichen Einheit und dem festgestellten Einheitswert war nach der bisherigen Rechtsprechung auch verfassungsrechtlich unbedenklich, sofern im Ergebnis alle Steuerpflichtigen rechtlich und tatsächlich gleich belastet wurden. Die offenkundigen Wertverzerrungen bei der Bemessungsgrundlage zur Grundsteuer waren letztlich wegen der geringen steuerlichen Belastungswirkung hinnehmbar. Das musste im gleichen Maße auch für die Gewerbesteuer gelten, wo der Einheitswert lediglich im Rahmen der Kürzungsvorschriften des § 9 Nr. 1 GewStG eine eingeschränkte Bedeutung erlangt.
Rz. 22
Die Ermittlung der Einheitswerte gem. § 21 Abs. 1 BewG für Zwecke der Grundsteuer war auch deshalb verfassungsrechtlich unbedenklich, weil keine bevorzugte Bewertung des Grundvermögens gegenüber anderen Vermögensarten stattfand. Auf Grund der sich durch die Einheitswertermittlung ergebenden niedrigen Werte des Grund und Bodens als Bemessungsgrundlage für die Grundsteuer im Vergleich zum tatsächlichen Wert konnte aus der Grundsteuer auch keine Übermaßbesteuerung abgeleitet werden. Somit waren die Vorschriften über die Einheitsbewertung und die Grundsteuer trotz der lange zurückliegenden Hauptfeststellungszeitpunkte zumindest nach alter Rechtsprechung weiterhin verfassungsgemäß.
Rz. 23
Gleichwohl ist der Gesetzgeber durch zwei Entscheidungen des BFH im Jahre 2010 erheblich unter Druck geraten. Der BFH vertrat darin nämlich die Auffassung, dass das weitere Unterbleiben einer allgemeinen Neubewertung des Grundvermögens für Zwecke der Grundsteuer mit verfassungsrechtlichen Anforderungen, insbesondere mit dem allgemeinen Gleichheitssatz nicht vereinbar sei. Das System der Hauptfeststellung auf einen bestimmten Stichtag sei darauf ausgelegt, dass Hauptfeststellungen in bestimmten, nicht übermäßig langen Abständen stattfinden. Die Festschreibung der Wertverhältnisse auf den Hauptfeststellungszeitpunkt sei daher nur dann sachgerecht und aus verfassungsrechtlicher Sicht hinnehmbar, wenn der Hauptfeststellungszeitraum eine angemessene Dauer nicht überschreite.
Rz. 24
Für eine Verletzung des Gleichheitssatzes sprach nach Auffassung des BFH, dass die im Ertragswertverfahren und im Sachwertverfahren ermittelten Einheitswerte zueinander auch nicht annähernd in einem den tatsächlichen Wertverhältnissen entsprechenden Verhältnis stehen, obwohl es für die Bemessung der Grundsteuer innerhalb der Vermögensgruppe des Grundvermögens einer realitätsgerechten Bewertung bedarf. Die mehrere Jahrzehnte umfassende Dauer des Hauptfeststellungszeitraums führe daher bei der Bewertung von Gebäuden im Sachwertverfahren zu einer Verletzung des verfassungsrechtlichen Gebots einer folgerichtigen Gesetzgebung. Zudem sei es auf unbegrenzte Dauer nicht hinnehmbar, dass eine Wertminderung wegen Alters nach dem Hauptfeststellungszeitpunkt gemäß § 85 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 86 BewG ausgeschlossen ist. Das jahrzehntelange Unterlassen einer erneuten Grundstücksbewertung führe daher zwangsläufig zu verfassungsrechtlich nicht mehr hinnehmbaren Defiziten beim Gesetzesvollzug.
Rz. 25
Der BFH hatte unter Berücksichtigung der bisherigen Entscheidungen des BVerfG die Einheitsbewertung für Stichtage bis zum 1.1.2007 noch als verfassungsgemäß eingestuft. Die Rechtsprechung der Finanzgerichte war in der Folgezeit uneinheitlich. So vertrat das FG Hamburg die Auffassung, dass die vorgenannten Hinweise des BFH nicht ohne weiteres dahingehend verstanden werden könnten, dass die Verfassungsmäßigkeit bereits ab dem nachfolgenden Stichtag 1.1.2008 verneint wird. Demgegenüber hat das FG Brandenburg den Anwendungszeitraum weiter ausgedehnt und entschieden, dass für den Bewertungsstichtag 1.1.2009 noch von einer Verfassungsmäßigkeit der Einheitswertfeststellung auszugehen ist. In der Begründung führte das FG aus, dass Wertverzerrungen bei der Bemessungsgrundlage für die Grundsteuer wegen der geringeren steuerlichen Belastungswirkung verfassungsrechtlich in höherem Ausmaß hinnehmbar sind als bei der frü...