Dipl.-Finw. (FH) Wilfried Mannek
Rz. 302
Das von der Finanzverwaltung für Erwerbe vor dem 1.1.2003 praktizierte Mischverfahren für die Fälle, in denen sich auf einem Grundstück sowohl Gebäude oder Gebäudeteile befinden, die nach dem Ertragswertverfahren zu bewerten sind, als auch solche, die nach § 147 BewG mit dem ertragsteuerlichen Wert anzusetzen sind, ist ab 2003 nicht mehr anzuwenden. Die Finanzverwaltung hat sich also mit den ErbStR 2003 von der Anwendung des Mischverfahrens verabschiedet.
Rz. 303
Die Finanzverwaltung vertritt mit den ErbStR 2003 die Auffassung, eine wirtschaftliche Einheit könne nur in einem einheitlichen Bewertungsverfahren bewertet werden. Dementsprechend ist R 180 ErbStR 1999 gestrichen und in R 178 Abs. 8 ErbStR 2003 folgende Regelung für die "Mischfälle" getroffen worden:
Rz. 304
"Befinden sich auf einem Grundstück neben Gebäuden oder Gebäudeteilen, die nach § 147 BewG mit dem ertragsteuerlichen Wert anzusetzen sind, auch solche, die nach dem Ertragswertverfahren (§ 146 BewG) zu bewerten wären, richtet sich die Wertermittlung für die gesamte wirtschaftliche Einheit einheitlich nach § 147 BewG."
Rz. 305
Eine Bewertung des gesamten Grundstücks nach § 147 BewG unter Ansatz des Grund und Bodens mit dem Bodenrichtwert und der Gebäude mit den ertragsteuerlichen Werten erscheint bewertungstechnisch mit weitaus weniger Schwierigkeiten behaftet. Praktische Probleme ergeben sich allenfalls für Gebäude oder Gebäudeteile, die ertragsteuerlich nicht zum Betriebsvermögen rechnen, weil insoweit die Ermittlung des ertragsteuerlichen Werts der Gebäude aufwändiger sein kann. Dies dürfte dazu führen, dass die Ermittlung des ertragsteuerlichen Werts in Einzelfällen nur im Schätzungswege möglich ist, wobei auf die ursprünglichen Anschaffungs- oder Herstellungskosten, gekürzt um eine lineare AfA bis zum Bewertungsstichtag, zurückzugreifen ist. Trotz dieser möglicherweise im Einzelfall zu lösenden Bewertungsschwierigkeiten spricht gegen das Mischverfahren die fehlende Rechtsgrundlage im Bewertungsgesetz. Danach scheint bei der Bewertung einer wirtschaftlichen Einheit viel für ein einheitliches Bewertungsverfahren – entweder nach § 146 BewG oder nach § 147 BewG – zu sprechen.
Rz. 306
Für den Steuerpflichtigen ist die Anwendung des Bewertungsverfahrens nach § 147 BewG stets dann von Vorteil, wenn der Grund und Boden bei der Grundstücksbewertung nicht wesentlich ins Gewicht fällt und das Gebäude bereits weitgehend abgeschrieben ist. Handelt es sich dagegen um ein neu angeschafftes oder neu hergestelltes Objekt, ergibt sich durch Anwendung des § 147 BewG ein Grundstückswert, der dem Verkehrswert nahekommt.
Rz. 307
Zur Frage, ab wann die Finanzverwaltung das Mischverfahren nicht mehr anwenden will, vertritt die Finanzverwaltung die Auffassung, dass R 178 Abs. 8 ErbStR 2003 rückwirkend in allen offenen Fällen angewandt werden soll. Somit soll auch bei Bewertungsstichtagen vor dem 1.1.2003 von der Mischbewertung abgesehen werden.
Rz. 308
Demnach ist bei Erwerben ab dem 1.1.2003 in der Praxis wie folgt vorzugehen:
- Lässt sich für das gesamte Grundstück eine Jahresmiete in Form der vereinbarten oder der üblichen Miete ermitteln, ist das Grundstück im Ertragswertverfahren zu bewerten. Dabei ist es unerheblich, ob für das gesamte Grundstück die tatsächlich vereinbarte Miete (§ 146 Abs. 2 BewG) oder die übliche Miete (§ 146 Abs. 3 BewG) oder für Teile des Grundstücks die tatsächlich vereinbarte Miete und für die übrigen Teile des Grundstücks die übliche Miete anzusetzen ist.
- Ist für ein Grundstück keine tatsächlich vereinbarte Miete vorhanden und auch keine übliche Miete zu ermitteln, ist dieses Grundstück nach § 147 BewG zu bewerten. Dies gilt nach den ErbStR 2003 auch für die Fälle, in denen sich für Teile von Grundstücken keine Jahresmiete ermitteln lässt. Somit ist das gesamte Grundstück nach § 147 BewG zu bewerten, wobei sich der Grundstückswert aus der Summe des Grund und Bodens, angesetzt mit dem um 30 % korrigierten Bodenrichtwert, und den ertragsteuerlichen Wertansätzen für die Gebäude zusammensetzt.