Dipl.-Finw. (FH) Wilfried Mannek
Rz. 19
Mit der Festsetzung der Hebesätze entscheidet die Kommune gleichzeitig über die Erhebung einer Grundsteuer dem Grunde nach. Hinsichtlich der Höhe der Hebesätze haben die Gemeinden einen weiten Ermessensspielraum. Seine Grenzen findet der Ermessensspielraum in § 26 GrStG sowie in den allgemeinen Grundsätzen des Steuer- und Haushaltsrechts.
Rz. 20
Zu den Ermessenseinschränkungen nach steuerrechtlichen Grundsätzen gehört das Gebot einer sozialen Steuerpolitik gemäß Art. 20 Abs. 1 GG. Dies besagt, dass Steuerschuldner durch eine Steuer nicht übermäßig stark belastet und ihre Vermögensverhältnisse nicht grundlegend beeinträchtigt werden dürfen (Verbot einer Erdrosselungswirkung). Von einer Erdrosselungswirkung kann allerdings erst dann ausgegangen werden, wenn Gesamtheit der Grundsteuerpflichtigen unter normalen Umständen nicht mehr dazu in der Lage ist, die Steuer aufzubringen. Ein Hebesatz für die Grundsteuer B in Höhe von 910 % in einer Gemeinde in Nordrhein-Westfalen hat keine erdrosselnde Wirkung.
Bei Zahlungsschwierigkeiten im Einzelfall besteht die Möglichkeit eines Billigkeitserlasses nach § 227 AO. Ggf. sind auch die Erlassregelungen der §§ 32–34 GrStG zu prüfen.
Rz. 21
Aus haushaltsrechtlicher Sicht steht es den Gemeinden zu, die Hebesätze eigenständig und unter Abwägung ihrer finanziellen Bedürfnisse festzusetzen. Die Gemeindeordnungen der Länder stellen den Gemeinden frei, in welchem Ausmaß sie zur Deckung ihres Finanzbedarfs steuerliche Quellen heranziehen. Nach dem in den einzelnen Gemeindeordnungen verankerten Subsidiaritätsprinzip darf die Gemeinde auf Steuerquellen allerdings nur dann zurückgreifen, wenn die sonstigen Einnahmen zur Deckung des Haushalts nicht ausreichen.
Die Gemeinde darf im Rahmen ihrer eigenverantwortlichen Abschätzung des Finanzbedarfs keine grob unsachlichen, d.h. evident willkürlichen Entschließungskriterien tragend werden lassen oder den zu bestimmenden Hebesatz gar ohne jede Würdigung seiner Wirkungen auf die Steuerpflichtigen "greifen". Der grundsätzlich weite Ermessensspielraum der Gemeinden wird letztlich lediglich dadurch begrenzt, dass sie die Steuern nicht willkürlich erhöhen darf und die Steuern keine "erdrosselnde" Wirkung haben dürfen.
Die Gemeinden sind insbesondere nicht dazu verpflichtet, sich an die Hebesätze anderer (etwa benachbarter) Gemeinden oder den Landesdurchschnitt der Hebesätze zu halten.
Werden Realsteuerhebesätze mit Beschluss des Gemeinderates haushaltsrechtswidrig gesenkt, ist die Kommunalaufsicht durch Bundesrecht nicht gehindert, diesen Beschluss aufzuheben.
Rz. 22
Der von der Gemeinde festgesetzte Hebesatz kann nicht unmittelbar mit einem Rechtsbehelfsverfahren angefochten werden. Der Steuerschuldner kann den angewendeten Hebesatz lediglich im Rechtsbehelfsverfahren gegen den Grundsteuerbescheid überprüfen lassen. Im Übrigen hat er die Möglichkeit, eine entsprechende Nachprüfung bei der zuständigen Gemeindeaufsichtsbehörde anzuregen. Kommt es bei Anfechtung des Steuerbescheids zu einer gerichtlichen Überprüfung des Bescheids, beschränkt sich die gerichtliche Kontrolle bei satzungsrechtlichen Abgaberegelungen aufgrund des kommunalen Selbstverwaltungsrechts nach Art. 28 Abs. 2 GG auf die Prüfung der verfahrensrechtlichen und materiell-rechtlichen Vereinbarkeit der Regelungen mit höherrangigem Recht. Sie umfasst nicht die Überprüfung nach Art ermessensgeleiteter Verwaltungsakte. Auf die Art und Weise, wie die kommunale Willensbildung erfolgt ist, kommt es folglich nicht an. Auch kommt es für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Hebesatzes nicht darauf an, aus welchen Erwägungen und Beweggründen, also aus welcher Motivation die Kommune seine Festlegung getroffen hat. Der den Gemeinden verbleibende Spielraum innerhalb der Grenzen des Ermessens entzieht sich damit einer gerichtlichen Nachprüfung.
Rz. 23– 25
Einstweilen frei.