Rz. 102
Ein Gebäude auf fremdem Grund und Boden liegt vor, wenn ein anderer als der Eigentümer des Grund und Bodens darauf ein Gebäude errichtet hat und ihm das Gebäude zuzurechnen ist. Dieser Fall ist aufgrund bürgerlichen Rechts gegeben, wenn ein anderer als der bürgerlich-rechtliche Eigentümer des Grund und Bodens das Gebäude zu einem vorübergehenden Zweck (z.B. für die Pachtdauer) oder in Ausübung eines dinglichen Rechts (z.B. Nießbrauchs) errichtet hat. Die Zurechnung des Gebäudes an einen anderen als denjenigen, dem der Grund und Boden zuzurechnen ist, kann auch aufgrund des Steuerrechts geboten sein, wenn zwischen dem Eigentümer des Grund und Bodens und dem sog. wirtschaftlichen Eigentümer des Gebäudes (§ 39 Abs. 2 Nr. 1 AO) keine Personengleichheit besteht. Dies ist bspw. der Fall, wenn dem Nutzungsberechtigten für den Fall der Nutzungsbeendigung gegenüber dem Eigentümer des Grund und Bodens ein Anspruch auf Ersatz des Verkehrswerts des Gebäudes zusteht. Ein solcher Anspruch kann sich aus einer vertraglichen Vereinbarung oder aus dem Gesetz ergeben. Unabhängig davon, wer das Gebäude errichtet hat, ist somit entscheidend, ob am Bewertungsstichtag der bürgerlich-rechtliche Eigentümer des Gebäudes (Scheinbestandteil i.S.d. § 95 BGB) oder der sog. wirtschaftliche Eigentümer des Gebäudes i.S.d. § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO ein anderer ist als derjenige, dem der Grund und Boden zuzurechnen ist.
Rz. 103
Der belastete Grund und Boden ist das Grundstück, das mit einem fremden Gebäude bebaut ist.
Rz. 104
Ein Gebäude auf fremdem Grund und Boden ist an zwei Voraussetzungen gebunden. Zum einen muss es sich bei dem Bauwerk um ein Gebäude im bewertungsrechtlichen Sinn handeln (vgl. dazu Rz. 24) und zum anderen muss das Gebäude auf fremdem Grund und Boden stehen. Fehlt es an der ersten Voraussetzung, stellt ein errichtetes Bauwerk kein Gebäude dar, so dass nur ein unbebautes Grundstück vorliegt. Fehlt es an der zweiten Voraussetzung, kann kein Gebäude auf fremdem Grund und Boden vorliegen, da in diesem Fall zwingend eine Eigentümeridentität besteht.
Rz. 105
Beispiele für Gebäude auf fremdem Grund und Boden können Verkaufspavillons, öffentliche Toiletten, Leichtbauhallen, Clubhäuser, Lagerschuppen oder -häuser, Garagen und Bürogebäude sein, die auf fremdem Grund und Boden errichtet worden sind. In der Praxis ist zudem häufiger der Fall anzutreffen, dass die Kinder auf dem Grundstück der Eltern in zweiter Reihe ein weiteres Wohnhaus errichten, dessen wirtschaftlicher Eigentümer sie sind. Auch in diesen Fällen liegt insoweit ein Gebäude auf fremdem Grund und Boden vor.
Rz. 106
Im bisherigen Recht der Einheitsbewertung (vgl. § 70 Abs. 3 BewG) und der Grundbesitzbewertung (vgl. § 195 BewG) stellen das Gebäude auf fremdem Grund und Boden sowie der mit einem fremden Gebäude belastete Grund und Boden zwei wirtschaftliche Einheiten dar, die getrennt voneinander zu bewerten sind. Auch in Fällen eines Gebäudes auf fremdem Grund und Boden schlägt der Gesetzgeber bei der Bewertung für Zwecke der Grundsteuer – wie bei den Erbbaurechten und Erbbaurechtsgrundstücken – einen neuen Weg ein und behandelt beides nur noch als eine wirtschaftliche Einheit. Vgl. zur weiteren Behandlung der wirtschaftlichen Einheit die Ausführungen unter Rz. 111 f.