Dipl.-Finw. (FH) Wilfried Mannek
Rz. 45
Zunächst wurden von der Finanzverwaltung nur solche Kaufpreise anerkannt, die innerhalb eines Zeitraums von einem Jahr vor oder nach dem Besteuerungszeitpunkt erzielt wurden. Der BFH hatte dagegen mit Urteil v. 2.7.2004 entschieden, dass auch ein Kaufpreis anzuerkennen ist, der innerhalb eines Zeitraums von drei Jahren vor oder nach dem Besteuerungszeitpunkt erzielt wurde, wenn sich die bewertungsrechtlich maßgebenden Verhältnisse in diesem Zeitraum nicht gravierend geändert haben. Tz. 2 Abs. 5 der gl. lt. Erl. v. 2.4.2007 dehnten den vom BFH aufgezeigten Anwendungszeitraum weiter aus. Danach war die Ableitung in erster Linie aus einem im gewöhnlichen Geschäftsverkehr erzielten Kaufpreis vorgesehen, der innerhalb eines Jahres vor oder nach dem Besteuerungszeitpunkt zustande gekommen ist. Zusätzlich war die Ableitung aber auch außerhalb des Jahreszeitraums – also ohne Beschränkung auf einen Dreijahreszeitraum – zulässig, wenn der Kaufpreis im gewöhnlichen Geschäftsverkehr zustande gekommen war und sich die maßgeblichen Verhältnisse hierfür gegenüber den Verhältnissen zum Besteuerungszeitpunkt nicht verändert haben. Diese Voraussetzung dürfte in der Praxis bei einem relativ statischen Immobilienmarkt erfüllt sein. Die Indizwirkung des Kaufpreises für den gemeinen Wert wird allerdings bei wachsendem zeitlichem Abstand immer mehr nachlassen.
Rz. 45.1
Mit Urteil v. 2.7.2004 hat der BFH entschieden, dass der Nachweis des niedrigeren gemeinen Werts eines bebauten Grundstücks durch einen im gewöhnlichen Geschäftsverkehr erzielten Kaufpreis auch dann möglich ist, wenn der Kauf nicht innerhalb eines Jahres vor oder nach dem maßgeblichen Besteuerungszeitpunkt stattgefunden hat. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die durch zeitlichen Abstand nachlassende Indizwirkung des Kaufpreises für den gemeinen Wert durch ein Gutachten des Gutachterausschusses, wonach der Bodenwert sich nicht geändert hat, und dadurch ausgeglichen wird, dass auch die maßgebliche erzielte Jahresmiete gleich geblieben ist. Der BFH führt aus:
„Das Erfordernis eines zeitnah erzielten Kaufpreises ergibt sich daraus, dass die Indizwirkung eines Kaufpreises für den gemeinen Wert mit zeitlichem Abstand zum Besteuerungszeitpunkt nachlässt. Ein zeitnah erzielter Kaufpreis ist regelmäßig ein solcher, der innerhalb eines Jahres vor oder nach dem Besteuerungszeitpunkt zustande gekommen ist (vgl. R 177 Abs. 2 ErbStR 2003). Grundstücksverkäufe, die eine wesentlich längere Zeit als ein Jahr entfernt liegen, bilden im Allgemeinen keine geeignete Grundlage zur unmittelbaren Ableitung des gemeinen Werts (vgl. zur Einheitsbewertung BFH-Urteil vom 26. September 1980 III R 21/78, BFHE 132, 101, BStBl. II 1981, 153). Die durch zeitlichen Abstand zum maßgeblichen Besteuerungszeitpunkt nachlassende Indizwirkung des Kaufpreises für den gemeinen Wert kann jedoch durch ein Gutachten des Gutachterausschusses zur Entwicklung der Bodenwerte und durch unveränderte erzielte Jahresmieten ausgeglichen werden.
Wird – wie im Streitfall – der Nachweis eines niedrigeren gemeinen Werts durch einen nach fast drei Jahren im gewöhnlichen Geschäftsverkehr erzielten Kaufpreis für ein bebautes Grundstück durch eine gutachterliche Äußerung des Gutachterausschusses für Grundstückswerte ergänzt, aus der sich ergibt, dass die Bodenwerte – nicht nur die Bodenrichtwerte – seit dem maßgeblichen Besteuerungszeitpunkt unverändert geblieben sind, und ist auch die für § 146 Abs. 2 BewG maßgebliche erzielte Jahresmiete gleich geblieben, so ist die Schlussfolgerung, dass der Kaufpreis dem gemeinen Wert zum Besteuerungszeitpunkt entspricht, nach Denkgesetzen und allgemeinen Erfahrungssätzen möglich (vgl. BFH-Urteil vom 6. November 2001 IX R 97/00, BFHE 197, 151, BStBl. II 2002, 726, m.w.N.). Die Schlussfolgerung ist mit zulässigen und begründeten Revisionsrügen nicht angegriffen, sie ist für das Revisionsgericht bindend (§ 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung – FGO –). Die Revision war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO).”
Rz. 45.2
Der Wortlaut des mit dem Grundsteuerreform-Umsetzungsgesetz neu eingefügten § 198 Abs. 3 BewG lässt Zweifel aufkommen, ob der Gesetzgeber mit der Verwendung der Worte "innerhalb eines Jahres" den unbestimmten Artikel verwendet oder eine Begrenzung auf einen Jahreszeitraum eingeführt hat. Die Finanzverwaltung vertritt mit Tz. 8 der gl. lt. Erl. v. 7.12.2022 die Auffassung, dass es sich um eine Jahresfrist handelt. Denn dem Gesetzgeber war bewusst, dass die Finanzverwaltung bislang zwar von dem Grundsatz einer Jahresfrist ausgehen, aber auch einen längeren Zeitraum zugrunde legte, wenn sich die maßgeblichen Stichtagsverhältnisse nicht wesentlich geändert haben. Dennoch hat der Gesetzgeber diesen Gedanken nicht aufgegriffen, sondern ausschließlich darauf abgestellt, ob innerhalb eines Jahres vor oder nach dem Bewertungsstichtag ein Kaufpreis zustande gekommen ist.
Rz. 45.3
Maßgeblich für die jeweilige Jahresf...