Rz. 28
Nach § 29 Abs. 2 BewG i.d.F. des BewÄndG 1965 waren örtliche Erhebungen nur "zur Vorbereitung einer Hauptfeststellung" zulässig. Das EGAO 1977 ergänzte die Vorschrift dahin, dass auch "zur Durchführung von Feststellungen" der Einheitswerte örtliche Erhebungen vorgenommen werden können. Eine Hauptfeststellung bedarf einer umfangreichen Vorbereitung, die sich sowohl auf gesetzgeberische Vorhaben als auch auf Verwaltungsanweisungen beziehen kann. Hierzu kann auf örtliche Erhebungen, die auf breiter Ebene erfolgen müssen, nicht verzichtet werden. Diese örtlichen Erhebungen beziehen sich z.B. auf allgemeine Feststellungen über die wirtschaftlichen Ertragsbedingungen bei den Betrieben der Land- und Forstwirtschaft, über den normalen und gegendüblichen Bestand an Betriebsmitteln. Insbesondere sind aber Probebewertungen über bebaute Grundstücke erforderlich.
Rz. 29
Abgesehen von örtlichen Erhebungen zum Zweck der Vorbereitung einer Hauptfeststellung ist die Finanzverwaltung auf örtliche Erhebungen auch zum Zweck der Durchführung von Fortschreibungen und Nachfeststellungen angewiesen. Bei den hier angesprochenen Erhebungen handelt es sich um Erhebungen bei Grundstücken, die als Vergleichsobjekte für das zu bewertende Grundstück herangezogen werden sollen. Als solche Erhebungen kommen z.B. in Betracht: die Ableitung von Bodenwerten aus Kaufpreisen benachbarter Grundstücke, Ermittlung von Vergleichsmieten zur Schätzung der üblichen Miete, über den Ansatz des Kubikmeterpreises bei der Bewertung nach dem Sachwert, Abschlag wegen unorganischen Aufbaus eines Betriebsgrundstücks (§ 88 Abs. 2 BewG) und dergleichen.
Rz. 30
§ 29 Abs. 2 BewG ermächtigt die Finanzbehörden, Ermittlungen i.S. dieser Vorschrift durch örtliche Erhebungen anzustellen. Über die Durchführung selbst enthält § 29 BewG keine Anordnungen. Eingehende Vorschriften über örtliche Erhebungen (Einnahme des Augenscheins) befinden sich jedoch in der Abgabenordnung (§§ 97–99 AO). Die Anordnung einer örtlichen Erhebung durch die Finanzbehörde ist ein Verwaltungsakt (§ 118 AO), der inhaltlich hinreichend bestimmt sein muss (§ 119 Abs. l AO). Die Anordnung kann schriftlich, mündlich oder in sonstiger Weise (z.B. fernmündlich) geschehen (§ 119 Abs. 2 AO).
Rz. 31
Zum Betreten von Grundstücken und Räumen sind die mit örtlichen Erhebungen betrauten Amtsträger (vgl. § 7 AO) und die nach den §§ 96 und 98 Abs. 2 AO zugezogenen Sachverständigen berechtigt (vgl. § 99 AO). Die Besichtigungen dürfen nur während der üblichen Geschäfts- und Arbeitszeit vorgenommen werden (§ 99 Abs. l Satz l AO). Die von der Besichtigung betroffenen Personen sollen angemessene Zeit vorher benachrichtigt werden (§ 99 Abs. l Satz 2 AO). Wohnräume dürfen gegen den Willen des Inhabers nur zur Verhütung dringender Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung betreten werden (Art. 13 Abs. 7 GG, § 99 Abs. 1 Satz 3 AO). Diese Voraussetzung ist bei den Erhebungen nach § 29 Abs. 2 BewG regelmäßig nicht erfüllt, so dass der Vorbehalt nach § 29 Abs. 2 Satz 2 BewG insoweit leerläuft.
Rz. 32
Auch die Erhebungen nach § 29 Abs. 2 BewG sind – wie die Sammlungen nach Abs. 1 – bei der Einheitswertfeststellung des Grundbesitzes von begrenzter Bedeutung. Da eine neue Hauptfeststellung nicht in Sicht und die alte auf den 1.1.1964 abgeschlossen ist, können die gewonnenen Erkenntnisse nur noch bei Fortschreibungen (§ 22 BewG) und Nachfeststellungen (§ 23 BewG) bedeutsam sein. Soweit es um Umstände geht, die zu den Wertverhältnissen gehören, sind die aktuellen Werte außerdem stets auf die Verhältnisse vom 1.1.1964 zurückzubeziehen (§ 27 BewG); das wird angesichts des Zeitablaufs kaum noch möglich sein.
Von größerer Bedeutung könnten die nach Abs. 2 gewonnenen Erkenntnisse bei der Grundbesitzbewertung nach § 138 bzw. § 157 BewG sein. Zur Verwertbarkeit für diesen Zweck s. Anm. 17.
Rz. 33– 34
Einstweilen frei.