Rz. 21
Die Vorschriften über die freien Berufe waren früher in § 26 Abs. 1 BewG 1925 bzw. in § 44 Abs. 1 BewG 1931 enthalten. Danach galt als Gewerbe i.S.d. BewG auch die freie und ähnliche selbständige Berufstätigkeit. Als Gewerbe galt jedoch nicht die Ausübung eines der reinen Kunst oder der reinen Wissenschaft gewidmeten Berufs oder Nebenberufs (§ 26 Abs. 1 Satz 4 BewG 1925 bzw. § 44 Abs. 1 Satz 3 Ziffer 2 BewG 1931). An die Stelle dieser Vorschriften traten bei Neufassung des BewG 1934 der § 55 BewG und der § 47 BewDV. Durch das ÄndG-BewG 1963 wurde die vollständige gesetzliche Regelung über die freien Berufe in § 55 BewG übernommen. § 47 BewDV wurde damit überflüssig und gestrichen. Die Vorschrift des § 55 BewG wurde als § 96 in das BewG 1965 unverändert übernommen.
Rz. 22
§ 96 BewG wurde durch Art. 13 Nr. 9 StÄndG 1992 v. 25.2.1992 mit Wirkung vom 1.1.1993 neu gefasst. Nach der Neufassung steht die Ausübung eines freien Berufs des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG ohne die bisherige Ausnahme der künstlerischen oder wissenschaftlichen Tätigkeit einem Gewerbebetrieb gleich. In der Regierungsvorlage wird diese Gesetzesänderung wie folgt begründet:
„Nach dem bisherigen § 96 Abs. 1 Satz 2 BewG war für die selbständig ausgeübte künstlerische oder wissenschaftliche Tätigkeit kein Einheitswert des Betriebsvermögens festzustellen. Alle zu diesem Bereich gehörenden Wirtschaftsgüter waren unter den Voraussetzungen des § 110 BewG beim sonstigen Vermögen zu erfassen.
Damit sollten wesentliche Gegenstände des Künstlers oder Schriftstellers von der Vermögensbesteuerung ausgenommen werden. Durch die Einführung des § 117a BewG ab 1.1.1984 und die jetzt vorgesehene Ausweitung der in § 117a BewG enthaltenen Vergünstigungen hat sich die beabsichtigte Förderung der Künstler und Wissenschaftler in ihr Gegenteil verkehrt. Durch die Streichung des § 96 Abs. 1 Satz 2 wird künftig auch das der wissenschaftlichen oder künstlerischen Tätigkeit dienende Vermögen als Betriebsvermögen behandelt und nimmt damit an den Vergünstigungen für Betriebsvermögen gemäß § 117a BewG teil.”
Rz. 23
§ 96 BewG erfasst nach seinem eindeutigen Wortlaut nur das Betriebsvermögen, welches der freiberuflichen Tätigkeit i.S.d. § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG sowie der Tätigkeit des Einnehmers einer staatlichen Lotterie i.S.v. § 18 Abs. 1 Nr. 2 EStG dient. Nicht unter § 96 BewG und die dort angeordnete Gleichstellung mit dem gewerblichen Betriebsvermögen i.S.v. § 95 BewG fällt hingegen das Vermögen, das für Tätigkeiten i.S.v. § 18 Abs. 1 Nr. 3 und Nr. 4 EStG eingesetzt wird.
Ein sachlicher Grund für diese Differenzierung durch den Gesetzgeber ist nicht erkennbar, so dass die Vorschrift in dieser Hinsicht mit Blick auf das Gleichbehandlungsgebot (Art. 3 Abs. 1 GG) verfassungsrechtlichen Bedenken unterliegt. So leuchtet schwerlich ein, weshalb beispielsweise das der Tätigkeit eines Testamentsvollstreckers oder Vermögensverwalters dienende Vermögen anders als dasjenige eines Freiberuflers nicht an den Verschonungsregelungen der §§ 13a, 13b, 13c, 19a, 28 und 28a ErbStG teilhaben soll. Näher zu diesen Verschonungsregelungen vgl. § 95 BewG Rz. 2 ff.
Rz. 24
§ 96 BewG ist durch das ErbStRG v. 24.12.2008 und die nachfolgenden Gesetze bis einschließlich des Grundsteuerreform-Umsetzungsgesetzes (GrStRefUG) v. 16.7.2021 in seinem Wortlaut nicht verändert worden.
Zur neueren Rechtsentwicklung des durch die Verweisung in § 96 BewG mittelbar anwendbaren § 95 BewG vgl. § 95 BewG Rz. 33.
Rz. 25– 28
Einstweilen frei.