1. Probleme der Einheitsbewertung
Rz. 25
Die Erfahrungen aus der Anwendung des Ertragswertverfahrens bei der Hauptfeststellung 1964 belegen, dass das vom Gesetzgeber verfolgte Ziel, "gleichmäßige, den Verkehrswerten nahe kommende Einheitswerte als Grundlage für eine gerechte Besteuerung zu finden", auch nicht annähernd erreicht worden ist. Die im Wege des Ertragswertverfahrens festgestellten Einheitswerte weichen – und zwar für die einzelnen Grundstücksarten in ganz unterschiedlichem Maße und auch innerhalb der einzelnen Grundstücksarten mit großer Streuung – erheblich von den Verkehrswerten ab. Weil ein einheitliches Wertniveau innerhalb des Grundvermögens und auch innerhalb der einzelnen Grundstücksarten nicht besteht, kann auch mit Hilfe von Zuschlägen auf die Einheitswerte eine gleichmäßige Besteuerung weder im Bereich des Grundbesitzes noch im Verhältnis zu den übrigen nicht in Grundbesitz bestehenden Wirtschaftsgütern hergestellt werden. Zur verfassungsrechtlichen Problematik s. Anm. 8, 9 und 28.
Rz. 26
Ohne eine Analyse aufgrund eingehender Untersuchungen über die Gründe für das offenkundige Versagen des Ertragswertverfahrens als Bewertungsverfahren bei der Hauptfeststellung 1964 können über die Ursache für diesen Fehlschlag hier nur Vermutungen aufgestellt werden. Eine wesentliche Ursache für die häufig willkürlich anmutenden Ergebnisse war sicherlich die Anknüpfung des Bewertungsverfahrens an die bereits seinerzeit weitgehend überholten tatsächlichen Mieten, zumal in einer Zeit des Übergangs von der Wohnungszwangswirtschaft der Nachkriegszeit zum freien Wohnungsmarkt. Im Übrigen hätte es vermutlich nicht nur der Vereinfachung, sondern auch der Erzielung eines gleichmäßigeren Wertniveaus gedient, wenn die Wertermittlung generell von der üblichen Miete ausgegangen wäre. Der angestrebte gemeine Wert weicht sicherlich auch deshalb so stark vom festgestellten Einheitswert ab, weil die für die Ermittlung der Vervielfältiger zugrunde gelegten Zins- und Unkostensätze seinerzeit sehr vorsichtig gewählt worden sind. Dadurch sollte eine Überbewertung selbst in den Fällen ausgeschlossen werden, in denen der Bewertung eine gegenüber der üblichen Miete um bis zu 20 % zu hohe tatsächliche Miete zugrunde gelegt wurde. Mitursächlich für das offenkundige Versagen des Ertragswertverfahrens war möglicherweise auch die pauschale Ermittlung der Bodenertragsanteile auf der Grundlage einer Rentenformel mit fragwürdigen Zinssätzen. Abgesehen von möglichen grundsätzlichen Zweifeln an einer zutreffenden pauschalen Bodenwertermittlung überhaupt war es sicherlich schwierig, das sehr unterschiedliche Bodenwertniveau in den Pauschalen angemessen zu berücksichtigen.
Rz. 27
Aus den vorgenannten Gründen (s. Anm. 26) würde auch eine zeitnahe Einheitsbewertung auf der Grundlage des geltenden Bewertungsrechts zu völlig unbrauchbaren Ergebnissen führen. Die Ergebnisse wären auch dann unsachgerecht, wenn aktuelle Mieten angesetzt würden. Denn die bei der Einheitsbewertung 1964 zugrunde gelegten Sollertragssätze entsprechen nicht mehr den heutigen Marktverhältnissen. Außerdem hat sich das Gewicht der Bodenertragsanteile und der Bewirtschaftungskosten in den letzten 40 Jahre erheblich verändert. Die bisherigeAufgliederung der Gebäudealtersgruppen nach Alt-, Neu- und Nachkriegsbauten dürfte inzwischen ihre Bedeutung verloren haben. Auch die Einteilung der Gemeindegrößenklassen ist nicht zuletzt durch die Gemeindegebietsreform überholt. Schließlich ist zu berücksichtigen, dass sich die Verkehrswerte der Grundstücke seit Ende der 70er Jahre in den einzelnen Regionen der Bundesrepublik, insbesondere auch in Nord- und Süddeutschland, mit gegensätzlicher Tendenz entwickelt haben und die Nichtberücksichtigungen der Gebäudeabschreibung für Gebäude, die seit 1.1.1964 bezugsfertig wurden, unvertretbar erscheint.
2. Verfassungsmäßigkeit der Einheitsbewertung
Rz. 28
Angesichts der erheblichen Mängel der Einheitsbewertung stellt sich die Frage, ob die Regelungen noch dem Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung gerecht werden. Wenn bei der Einheitsbewertung als Bewertungs...