1. Begriff der Zurechnung
Rz. 8
Unter Zurechnung wird die persönliche Zuordnung eines Wirtschaftsguts für die Besteuerung verstanden. Damit wird bestimmt, welche Person oder Personen Schuldner von Steuern sind, die an die Herrschaftsgewalt über ein Wirtschaftsgut anknüpfen. Die Zurechnung ist in § 39 AO 1977 geregelt. Das Bewertungsgesetz kennt den Ausdruck "Zurechnung" allerdings auch in sachlichem Zusammenhang. Dabei handelt es sich um die Zurechnung von Wirtschaftsgütern zu einer wirtschaftlichen Einheit oder zu einer Vermögensart (vgl. § 26 BewG). Durch diesen doppelsinnigen Gebrauch des Wortes Zurechnung entstehen zum Teil Missverständnisse. Sachliche Zurechnungen beziehen sich tatsächlich aber auf die Artfeststellung. Auch wenn das Bewertungsgesetz in diesem Zusammenhang von Zurechnung spricht, so sollte dieser Ausdruck hier doch vermieden werden.
2. Zurechnung an den Eigentümer
Rz. 9
Im Regelfall sind Wirtschaftsgüter dem bürgerlich-rechtlichen Eigentümer zuzurechnen (§ 39 Abs. 1 AO 1977). Da die Zurechnung nicht nur Sachen, sondern alle Wirtschaftsgüter erfasst und es ein Eigentum an Rechten nicht gibt, ist der Begriff "Eigentümer" in § 39 AO 1977 zu eng. Die Vorschrift muss dahin verstanden werden, dass die Zurechnung grundsätzlich an denjenigen erfolgt, der nach bürgerlichem Recht der Berechtigte ist. Denn aus der Sicht des bürgerlichen Rechts ist § 39 AO 1977 sozusagen unjuristisch formuliert.
3. Zurechnung an den "wirtschaftlichen Eigentümer"
Rz. 10
§ 39 Abs. 2 Nr. 1 AO 1977 sieht vor, dass Wirtschaftsgüter unter bestimmten Voraussetzungen als Ausnahme von der Regel des Abs. 1 für die Besteuerung einem anderen als dem nach bürgerlichem Recht Berechtigten zugerechnet werden. § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO 1977 ist ein gesetzlich geregelter Anwendungsfall der sog. wirtschaftlichen Betrachtungsweise. Er entspricht seinem sachlichen Inhalt nach dem vormaligen § 11 Nr. 1 bis 4 StAnpG. Für die Zurechnung an einen anderen als den nach bürgerlichem Recht Berechtigten hat sich der Ausdruck "wirtschaftliches Eigentum" gebildet. Dabei handelt es sich jedoch nicht um einen steuerrechtlichen Eigentumsbegriff; es wird lediglich die Abweichung von der durch das Zivilrecht bestimmten Regelzurechnung für steuerliche Zwecke verallgemeinernd umschrieben. Die Entscheidung, ob vom bürgerlich-rechtlichen Eigentum abweichendes wirtschaftliches Eigentum gegeben ist, kann für alle Steuern, soweit es auf das wirtschaftliche Eigentum ankommt, nur einheitlich getroffen werden.
Rz. 11
§ 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 beschreibt den wirtschaftlichen Eigentümer im Anschluss an Seeliger und an das sog. Leasing-Urteil des BFH dahin, dass er die tatsächliche Sachherrschaft über ein Wirtschaftsgut in einer Weise ausübt, die den Eigentümer im Regelfall für die gewöhnliche Nutzungsdauer von der Einwirkung auf das Wirtschaftsgut ausschließt. Das ist dann der Fall, wenn der nach bürgerlichem Recht Berechtigte praktisch keine Einwirkungsmöglichkeit auf das Wirtschaftsgut hat, weil seinem Herausgabeanspruch Einwendungen entgegenstehen oder weil er seinerseits verpflichtet ist, das Wirtschaftsgut an denjenigen herauszugeben, der die tatsächliche Sachherrschaft ausübt. Dies erfordert, dass der wirtschaftliche Eigentümer eine Rechtsstellung hat, die zwar nicht aus dem Eigentum abgeleitet ist, die aber die Rechte des Eigentümers aus dem Eigentum entwertet.
Rz. 12
Hieraus folgt, dass die Rechtsstellung des wirtschaftlichen Eigentümers auf ein wirksames Rechtsgeschäft gegründet sein muss. Es genügt nicht, dass die Parteien eines unwirksamen Rechtsgeschäfts (z.B. eines unter Genehmigungsvorbehalt stehenden Vertrages) dieses nach § 41 AO zwar der Besteuerung zugrunde legen müssen, weil sie die wirtschaftlichen Ergebnisse dieses Rechtsgeschäfts eintreten und bestehen lassen; denn in diesem Fall könnte der Eigentümer seine Rechte aus dem Eigentum durchsetzen. Wenn er es nicht tut, dann nur im gegenseitigen Einverständnis, nicht aber, weil er rechtlich dazu nicht die Möglichkeit hätte.
Rz. 13
Auch das wirtschaftliche Eigentum setzt die Herrschaft an bestimmten Wirtschaftsgütern voraus, d.h. bei Gattungssachen ist Spezifizierung notwendig. Wirtschaftliches Eigentum ist nicht nur an Sachen, sondern auch an Anteilen und Rechten möglich. § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO 1977 führt in Satz 2 einige Beispielsfälle für die Zurechnung an den wirtschaftlichen Eigentümer an, die jedoch, wie sich aus der Definition des Satzes l ergibt, nicht erschöpfend sind.
Rz. 14
Soweit gerade bei nahen Verwandten das wirtschaftliche Eigentum bzw. das wirtschaftliche Miteigentum auf nicht eindeutige oder/und mündliche Vereinbarungen gestützt werden soll, ist auf die langjährige Rechtsprechung des BFH zu Rechtsgeschäften zwischen Familienangehörigen und ansonsten nahe s...