Rz. 151
Bei bestehender Abbruchverpflichtung für das Gebäude ist die Alterswertminderung gemäß § 259 Abs. 4 Satz 5 BewG abweichend von den § 259 Abs. 4 Sätzen 2 bis 4 auf das Verhältnis des Alters des Gebäudes im Hauptfeststellungszeitpunkt zur tatsächlichen Gesamtnutzungsdauer begrenzt. Besteht für das zu bewertende Gebäude eine Abbruchverpflichtung, ist damit bei der Ermittlung der Alterswertminderung nicht von der ursprünglich zu unterstellenden Gesamtnutzungsdauer, sondern von der tatsächlichen verkürzten Gesamtnutzungsdauer des Gebäudes auszugehen.
Rz. 152
Entsprechend der gesetzlichen Vorgabe in § 259 Abs. 4 Satz 5 BewG ergibt sich der Bewertungsabschlag wegen einer Abbruchverpflichtung formelhaft wie folgt:
Beispiel: 2
Baujahr 1982, Abbruchverpflichtung 2030, wirtschaftliche Gesamtnutzungsdauer 80 Jahre.
Gesamtnutzungsdauer aufgrund der Abbruchverpflichtung:
a) Gesamtnutzungsdauer:
Jahr der Abbruchverpflichtung 2030 ./. Baujahr 1982 = 48 Jahre
b) Restnutzungsdauer unter Berücksichtigung der Abbruchverpflichtung:
48 Jahre ./. Alter im Hauptfeststellungszeitpunkt 1.1.2022 (2022 ./. 1982 = 40 Jahre) => 8 Jahre
Die Mindest-Restnutzungsdauer (vgl. § 259 Abs. 4 Satz 4 BewG) von 24 Jahren (30 Prozent von 80 Jahren) ist nicht zu berücksichtigen.
Rz. 153
Durch § 259 Abs. 4 Satz 5 BewG ist auch bei bestehender Notwendigkeit des vorzeitigen Abbruchs eines Gebäudes bzw. Gebäudeteils – ohne eine entsprechende Abbruchverpflichtung entsprechend dem Ertragswertverfahren keine Ermäßigung des vorläufigen Gebäudesachwerts vorgesehen. Eine Wertminderung wird kraft gesetzlicher Vorgabe lediglich indirekt über eine verkürzte Abschreibungsdauer auf der Grundlage der sich aus der Abbruchverpflichtung ergebenden tatsächlichen Gesamtnutzungsdauer berücksichtigt.
Rz. 154
Eine zu einem vorzeitigen Abbruch führende Abbruchverpflichtung liegt immer dann vor, wenn das Gebäude vor Ablauf der wirtschaftlichen Gesamtnutzungsdauer abgebrochen werden muss. Typische Anwendungsfälle in diesem Zusammenhang sind städtebauliche Planungen, die einen vorzeitigen Abbruch von Gebäuden vorsehen. Die wirtschaftliche Nutzungsdauer ist in diesem Fällen grundsätzlich nicht beeinträchtigt.
Rz. 155
Eine Verkürzung der Restnutzungsdauer kommt nur bei bestehender Abbruchverpflichtung für das Gebäude in Betracht. Insbesondere Baumängel und Bauschäden oder wirtschaftliche Gegebenheiten sind nicht einer Abbruchverpflichtung gleichzustellen und führen nicht zu einer Verkürzung der Restnutzungsdauer bei der Ermittlung des Grundsteuerwertes. Dies gilt insbesondere auch für nicht behebbare Baumängel oder Bauschäden (z.B. Kriegsschäden, Bergschäden), die selbst durch Ausbesserung nicht auf Dauer beseitigt werden können.
Rz. 156
Für eine Berücksichtigung im Rahmen des § 259 Abs. 4 Satz 5 BewG ist erforderlich, dass am Bewertungsstichtag die uneingeschränkte Notwendigkeit des späteren Abbruchs des Gebäudes feststeht. Die bloße Wahrscheinlichkeit oder Vermutung eines vorzeitigen Abbruchs ist nicht ausreichend. Es kann davon ausgegangen werden, dass für den Steuerpflichtigen der Nachweis über die Notwendigkeit des Abbruchs umso schwieriger zu führen sein wird, je zeitlich entfernter in der Zukunft der anstehende Abriss eines Gebäudes vorgetragen wird.
Rz. 157
Der Abbruch des Gebäudes muss auf der Grundlage objektiver Gründe feststehen. Eine Verkürzung der Abschreibungsdauer wegen vorzeitigen Abbruchs kommt nicht in Betracht, wenn ein Gebäude aus subjektiven Gründen vorzeitig abgebrochen wird, weil der Eigentümer seine persönlichen Vorstellungen und Planungen verwirklichen möchte. Für die abbruchbedingte Verkürzung der Abschreibungsdauer ist es nicht entscheidend, dass und in welchem Umfang der Steuerpflichtige in seinen Erwartungen über die Lebensdauer des Gebäudes getäuscht worden ist.
Rz. 158
Nicht erforderlich ist ein baldiger Abbruch. Die Finanzverwaltung wendet in Zusammenhang mit § 88 BewG eine zeitliche Beschränkung in Form von zehn Jahren für das Sachwertverfahren an. Der insoweit maßgebliche Wortlaut des § 88 BewG enthält für eine solche Auslegung mit einer einhergehenden zeitlichen Begrenzung jedoch keine Anhaltspunkte. Dem entsprechend hat der BFH auch einen 17 Jahren später feststehenden Abbruchszeitpunkt als zulässig angesehen.
Rz. 159
Im Einzelfall kann es vorkommen, dass der Eigentümer eines Grundstücks für den Abbruch des aufstehenden Gebäudes von Dritten eine Entschädigung erhält. Die Gewährung der Entschädigung hat auf die Bemessung der tatsächlichen Abschreibungsdauer des Gebäudes gemäß § 259 Abs. 4 Satz 5 BewG keine Auswirkung.
Rz. 160
Die Höhe des für den vorzeitigen Abbruch zu gewährenden Abschlags bemisst sich nach dem im Feststellungs- bzw. Fortschreibungszeitpunkt bestehenden Verhältnis zwischen der nach der wirtschaftlichen Gesamtnutzungsdauer errechneten Wertminderung wegen Alters und der Wertm...