Rz. 132
Wer mit den Bedarfswertfeststellungen nicht einverstanden ist, kann dies nicht gegenüber dem Besteuerungsfinanzamt vortragen (s. aber § 155 BewG Rz. 2 f.), sondern muss hierzu den/die jeweiligen Bedarfswertbescheide angreifen (Bindungswirkung; § 351 Abs. 2 AO). Als potentieller Steuerschuldner ist jeder Gesellschafter einer bereicherten rechtsfähigen Personengesellschaft (§ 2a Satz 2 ErbStG), wenn nicht schon im Feststellungsverfahren involviert (§ 153 Abs. 1 – 3 BewG), so jedenfalls stets rechtsbehelfsbefugt (§§ 154 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, 155 Satz 1 Halbs. 1 BewG; § 352 AO/§ 48 FGO). Dies dürfte auch für die Gesellschafter einer zuwendenden rechtsfähigen Personengesellschaften gelten (§ 2a Satz 3 ErbStG), da sie ggf. mit einer Inanspruchnahme als Gesamtschuldner rechnen müssen (§ 154 Abs. 1 Nr. 3 BewG; s. Rz. 141). Die jeweilige Gesellschaft selbst ist allerdings nur dann rechtsbehelfsbefugt, wenn sie, wie regelmäßig bei Anwendung von § 2a Satz 2 ErbStG, Eigentümerin des Feststellungsgegenstands geworden ist (§ 154 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BewG) oder zur Abgabe einer Feststellungserklärung tatsächlich aufgefordert wurde (§ 154 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BewG); auf § 352 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a AO kann sie sich womöglich nicht stützen, da sie als Steuerschuldnerin nicht in Frage kommt (s. aber Rz. 143).
Rz. 133
Beachten Sie: Es bleibt abzuwarten, ob die Finanzverwaltung von der Möglichkeit einer vereinfachten Bekanntgabe der Feststellungsbescheide nur gegenüber der rechtsfähigen Personengesellschaft mit Wirkung für und gegen alle Feststellungsbeteiligten Gebrauch macht (§ 183 Abs. 1 AO). Vorgesehen war dies für die ertragsteuerlich relevante einheitliche und gesonderte Feststellung der Einkünfte; notwendige Bedarfsbewertungen im Zusammenhang mit § 2a Sätze 2 und 3 ErbStG hatte man wohl nicht im Blick.
Rz. 134
Allerdings: Nicht nur bei Vollbeendigung, bei Verlust der Rechtsfähigkeit oder nach Ausscheiden aus der Personengesellschaft, sondern auch bei "ernstlichen Meinungsverschiedenheiten " zwischen den Feststellungsbeteiligten, im Zweifel also immer, hat das Feststellungsfinanzamt die Bedarfswertbescheide einzeln bekanntzugeben und die insoweit nötigsten Informationen mitzuteilen: die Feststellungsgegenstände, die Zahl der Feststellungsbeteiligten, ihre Anteile sowie die sie betreffenden Besteuerungsgrundlagen (§ 183 Abs. 3/Abs. 2 Satz 1 AO). Soweit im Verlauf eines Rechtstreits über die Rechtmäßigkeit eines Bedarfswertbescheids um die persönliche, anteilmäßig zu bestimmende Bereicherung der Erwerber gestritten wird, dürften alle Gesellschafter erwerbender rechtsfähiger Personengesellschaften, da sämtlich betroffen, notwendigerweise zum Verfahren hinzuzuziehen bzw. beizuladen sein (§§ 360 Abs. 3 Satz 1 AO, 60 Abs. 3 Satz 1 FGO – s. auch § 155 BewG Rz. 18 f.).
Rz. 135
Die Bedarfswertfeststellung/en ist/sind vor allem bindend für die zuständigen Erbschaft-/Schenkungsteuerfinanzämter (s. Rz. 117 ff.), die zwingend darauf reagieren müssen durch Erlass oder Aufhebung bzw. Änderung von Erbschaft-/Schenkungsteuerbescheiden (§ 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 171 Abs. 10 AO). Ihre eigene Entscheidungskompetenz beschränkt sich insoweit auf die Steuerberechnung und Inanspruchnahme der konkreten Steuerschuldner (s. § 152 BewG Rz. 28 ff., § 153 BewG Rz. 2 ff., § 155 BewG Rz. 1 ff.; – beachten Sie: Bei eventuellen gemischten Schenkungen haben Bedarfsbewertungen ggf. sogar zuständigkeitsbegründende Wirkungen [s. § 7 ErbStG Rz. 66]). Möglicherweise kann sich aber das Besteuerungsfinanzamt aus diesen verfahrensrechtlichen Fesseln befreien durch Rücknahme der Bedarfswertanforderung. Dies wird von der Finanzverwaltung bejaht, die gegen ein entsprechendes finanzgerichtliches Urteil zunächst Revision einlegte, dann aber doch eine Entscheidung des BFH vermied.
Rz. 136
Der Weg führt zum BFH: Nur wenn die jeweiligen Erwerbsgegenstände nicht der Bedarfsbewertung unterliegen (z.B. Geld, Kapitalforderungen, Wertpapiere i.S.d. § 11 Abs. 1 BewG), obliegt die Entscheidung auch über die anteilige/n Bereicherungen bzw. Zuwendungen der Gesellschafter der erwerben oder zuwendenden rechtsfähigen Personengesellschaften allein dem/den zuständigen Besteuerungsfinanzamt/-ämtern. Ansonsten kommen noch die unmittelbar veranlassten sowie ggf. weitere, von den Feststellungsfinanzämtern ihrerseits angeforderten Bedarfsbewertungen hinzu (§ 151 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 BewG), die sich ebenfalls je nach Zahl der nach § 2a Sätze 2 und/oder 3 ErbStG fingierten Steuerschuldner multiplizieren. Verfahrensrechtlich genügt bereits ein renitenter Gesellschafter, um eine Vielzahl anschließender Einspruchs- und Klageverfahren auszulösen, deren Ausgang alle Mitgesellschafter betrifft. Am Ende der Entscheidungsketten ist es dann regelmäßig der II. BFH-Senat, der die bewertungs- und die erbschaft-/schenkungsteuerrechtlichen Verfahren bündelt, und somit die für alle Beteiligten...