1. Zivilrecht
Rz. 295
Eine Erbeinsetzung kann unter einer Bedingung erfolgen, die darin besteht, dass der Erbe an einen anderen eine Leistung zu erbringen hat. Das führt zu einer konstruktiven Vor- und Nacherbfolge zugunsten der gesetzlichen Erben, wenn der Erblasser nicht angeordnet hat, wer Erbe sein soll, wenn die Bedingung ausfällt (§ 2104 BGB). Tritt die aufschiebende Bedingung ein oder fällt die auflösende Bedingung aus, endet die Vor- und Nacherbfolge, und der Vorerbe wird zum Vollerben. In gleicher Weise kann ein Vermächtnis unter einer Bedingung verfügt werden. Es handelt sich dann um ein Vor- und Nachvermächtnis (§ 2191 BGB).
Eine Bedingung verpflichtet den Bedachten nicht und gibt auch niemandem einen Anspruch auf die Erfüllung der Bedingung. Deshalb kann der Bedachte frei entscheiden, ob er die Bedingung erfüllt, indem er die Leistung erbringt. Der Eintritt oder der Ausfall der Bedingung hat nur Auswirkungen auf die Rechtsstellung des Bedachten, da ihr Erwerb oder ihr Fortbestand von der Bedingung abhängt.
2. Steuerrecht
Rz. 296
Nach § 3 Abs. 2 Nr. 2 ErbStG gilt als vom Erblasser zugewendet, was jemand infolge einer vom Erblasser gesetzten Bedingung erwirbt, es sei denn, dass eine einheitliche Zweckzuwendung vorliegt. Es geht also darum, dass der Erblasser von Todes wegen eine aufschiebend oder auflösend bedingte Zuwendung macht. Die Bedingung besteht darin, dass der Bedachte – Erbe, Vermächtnisnehmer, Auflagenbegünstigte – etwas an einen anderen (Dritten) leistet, um die Zuwendung zu bekommen oder zu behalten. Die Steuerpflicht des Dritten entsteht nach § 9 Abs. 1 Buchst. d ErbStG bei einer aufschiebenden Bedingung mit der Erfüllung der Bedingung, unabhängig davon, ob die Leistung aus der Zuwendung oder aus dem eigenen Vermögen erfolgt.
Rz. 297
Ob der Bedachte die Leistung aus der Zuwendung bestreitet oder aus seinem Eigenvermögen, ist für die Besteuerung unerheblich. Der Begünstigte erwirbt in beiden Fällen vom Erblasser. Der Bedachte kann den Wert der Leistung als Erwerbsaufwand abziehen (§ 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 1 ErbStG), da es sich um Kosten zur Erlangung des Erwerbs handelt.
Rz. 298
Von § 3 Nr. 2 ErbStG nicht erfasst werden Zweckzuwendungen i.S. des § 8 ErbStG. Dies sind Zuwendungen an eine Person, die mit der Verpflichtung verbunden sind, das zugewendete Vermögen für bestimmte fremde Zwecke zu verwenden. Eine Zweckzuwendung besteht damit stets aus zwei Elementen: der eigentlichen Zuwendung und der Zweckwidmung in Form einer Auflage oder Bedingung. Dabei kommt ein unpersönlicher Sachzweck in Betracht oder aber – in Abgrenzung zu § 3 Abs. 2 Nr. 2 ErbStG – die Begünstigung eines unbestimmten Personenkreises. § 8 ErbStG dient der gesetzgeberischen Intention, Besteuerungslücken in den Fällen zu schließen, in denen das einem Empfänger zugewendete Vermögen keiner dritten Person unmittelbar zugute kommt und damit eigentlich einer Besteuerung mangels Bereicherung entzogen wäre. Ein Personenkreis ist jedenfalls dann unbestimmt, wenn er "vage" ist. Die Begünstigten dürfen weder namentlich identifizierbar sein noch von dem Beschwerten aufgrund eines eigenen Bestimmungsrechts konkretisiert werden. Beispielhaft wird ein unbestimmter Personenkreis angenommen, wenn die Begünstigung allen Obdachlosen einer bestimmten Stadt zugute kommen soll (s. § 8 ErbStG Rz. 22).
Rz. 299
Die Abgrenzung der Zweckzuwendung vom direkten Erwerb eines Begünstigten ist häufig nicht einfach. Bestimmt etwa ein Erblasser, dass der Alleinerbe als Arbeitgeber das Ererbte nur zugunsten von in Not geratenen Mitarbeitern verwenden darf, reicht dieses Kriterium allein nicht zur Bestimmung des begünstigten Personenkreises aus, denn aufgrund der Anordnung hat keiner der Mitarbeiter einen Rechtsanspruch auf bestimmte Zahlungen aus dem Nachlass der Erblasserin. Damit ist nicht von einer direkten Zuwendung der Erblasserin an bestimmte Personen i.S. des § 3 Abs. 2 Nr. 2 ErbStG auszugehen, sondern es liegt eine Zweckzuwendung nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. § 8 ErbStG vor.