Rz. 40
Die Realisierung der potenziell auf jedem steuerpflichtigen Erwerb lastenden Erbschaft-/Schenkungsteuer wird erschwert, wenn das Vermögen zuvor ins Ausland transferiert wird. Handelt es sich hierbei um Ansprüche gegenüber Versicherungen oder Nachlassvermögen in fremdem Gewahrsam, kann das Finanzamt von der Haftungsnorm des § 20 Abs. 6 ErbStG Gebrauch machen, wenn der herausgezahlte Betrag 600 EUR übersteigt (§ 20 Abs. 7 ErbStG).
1. Haftung der Versicherungen
Rz. 41
Versicherungsunternehmen obliegt eine besondere Mitteilungspflicht gegenüber dem zuständigen Erbschaft-/Schenkungsteuerfinanzamt, bevor sie vertraglich geschuldete Zahlungen an nicht mit dem Versicherungsnehmer identische Empfänger erbringen (§ 33 Abs. 3 ErbStG – s. hierzu § 33 ErbStG Anm. 8, 16). Überwiegend wird es sich hierbei um Erwerbsfälle nach § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG handeln oder um den Vollzug freigebiger Zuwendungen nach Einräumung/Übertragung entsprechender Bezugsrechte (§ 166 VVG).
Rz. 42
Sanktioniert ist diese Anzeigepflicht durch eine Bußgeldandrohung (§ 33 Abs. 4 ErbStG) und durch die Anordnung einer besonderen Steuerpflicht (§ 20 Abs. 6 Satz 1 ErbStG; § 33 AO): Versicherungsunternehmen haften danach verschuldensunabhängig, aber beschränkt auf die Höhe des ausgezahlten Betrags, für die entstandene Erbschaft- oder Schenkungsteuer, wenn sie fällige Leistungen aus Lebens- oder Leibrentenversicherungen ohne Rücksicht auf die Steuerentrichtung an im Ausland wohnhafte Erwerber erbracht haben. Selbstverständlich haften sie nicht, wenn der Empfänger selbst der Versicherungsnehmer ist oder den Anspruch entgeltlich erworben hat. Auch bei Auszahlungen aus einer vom Arbeitgeber für den Arbeitnehmer abgeschlossenen Direktversicherung soll die Haftung nicht greifen, da sie ihren Rechtsgrund im Arbeitsverhältnis habe; gerade dies kann aber im Einzelfall, dessen Umstände dem Versicherungsunternehmen regelmäßig unbekannt sind, prüfungsbedürftig sein (s. § 7 ErbStG Anm. 434).
Rz. 43
Haftungsbegründend sind damit auch Teilleistungen der Versicherungen. Dass sie bei Vollauszahlung der Versicherungssumme auch für Steuerbeträge haften sollen, die in zeitlichem Zusammenhang mit dem Versicherungsfall, aber aufgrund anderer Erwerbsvorgänge angefallen sind, dürfte zu weit gehen.
Rz. 44– 45
Einstweilen frei.
2. Haftung der Vermögensverwahrer/-verwalter
Rz. 46
Unter den gleichen Umständen haften nach § 20 Abs. 6 Satz 2 ErbStG Personen, die von ihnen verwahrtes/verwaltetes Nachlassvermögen in schuldhafter Weise ins Ausland"bringen" oder dort wohnhaften Berechtigten "zur Verfügung stellen". Sie haften hiernach umfassend für alle nach § 3 ErbStG Erbschaftsteuer auslösende Erwerbe von Todes wegen, insb. auch – doch erst seit dem 16.7.2009 – in Erwerbsfällen des § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG.
Rz. 47
Potenzielle Haftungsschuldner sind meist Banken und andere Geldinstitute, die sich geschäftsmäßig mit fremdem Vermögen befassen und beim Tod eines Kunden gegenüber dem Erbschaftsteuerfinanzamt anzeigepflichtig sind (s. insb. § 33 ErbStG Anm. 6, 15). Haftbar sollen aber auch andere Personen sein, z.B. Testamentsvollstrecker, Nachlassverwalter/-pfleger, Treuhänder, Notare, Rechtsanwälte und Steuerberater (s. hierzu § 33 ErbStG Anm. 9–11). Die haftungsbegründende Garantenstellung trifft jedoch nur denjenigen, der im Zeitpunkt des Erbfalls tatsächlich Gewahrsam über Vermögen des Erblassers hatte. Dies dürfte bei Testamentsvollstreckern und Nachlassverwaltern/-pflegern ausscheiden, die erst später eingesetzt werden, allerdings auch in weiterem Umfang einem Haftungsrisiko unterliegen, da sie ohnehin für die Bezahlung der Erbschaftsteuer zu sorgen haben (§§ 34 Abs. 3, 35 AO i.V.m. § 32 Abs. 1 Satz 2 ErbStG).
Rz. 48