Rz. 97

[Autor/Stand] In der Praxis weisen Überlassungsverträge oft Klauseln auf, nach denen zum einen das Gebäude auf fremdem Grund und Boden zum Ende der Miet- bzw. Pachtzeit grds. abzureißen ist, zum anderen sich die Miet- bzw. Pachtzeit allerdings auch immer wieder verlängern kann. In diesen Fällen lässt sich am Feststellungszeitpunkt noch nicht absehen, ob der Eigentümer des Grund und Bodens von seinem Recht, den Abbruch des Gebäudes zu verlangen, Gebrauch machen wird oder ob es zu einer Verlängerung des Pachtvertrags kommt.

 

Rz. 98

[Autor/Stand] Nach Auffassung der Finanzverwaltung kann insoweit ein Abschlag nach § 94 Abs. 3 Satz 3 Halbs. 1 BewG nur gewährt werden, wenn der Gebäudewert infolge der bestehenden Unsicherheit wesentlich gemindert wird. Die Höhe des Abschlags bemisst sich hier nach den Umständen des Einzelfalls[3].

 

Rz. 99

[Autor/Stand] Der Abschlag unterbleibt, wenn nach den Verhältnissen im Feststellungszeitpunkt vorauszusehen ist, dass das Gebäude trotz der Abbruchverpflichtung nicht abgerissen wird (§ 94 Abs. 3 Satz 3 Halbs. 2 BewG). Dies ist z.B. der Fall, wenn der Pachtvertrag bereits einmal verlängert wurde und anzunehmen ist, dass er auch in Zukunft verlängert werden wird, ohne dass Gründe tatsächlicher Art für eine bevorstehende Beendigung des Pachtvertrags sprechen[5]. In diesen Fällen kommt auch ein Abschlag wegen der bestehenden Unsicherheit nicht in Betracht.

 

Rz. 100

[Autor/Stand] Vertragliche Vereinbarungen, die Zweifel an dem Bestehen einer Abbruchverpflichtung aufkommen lassen, die die Verpflichtung einschränken oder die es dem Mieter oder Pächter bei Beendigung des Vertrags im Ergebnis freistellen, das nur zu einem vorübergehenden Zweck errichtete Gebäude entweder abzureißen oder durch Stehenlassen und Zeitablauf in das Eigentum des Vermieters (Verpächters) übergehen zu lassen, beinhalten keine Abbruchverpflichtung i.S. des § 94 Abs. 3 Satz 3 Halbs. 1 BewG. Dementsprechend hat der BFH durch seine Entscheidung III R 97/79[7] einen Abschlag bei einer Vereinbarung abgelehnt, wonach die Baulichkeiten bei Vertragsbeendigung in das Eigentum des Grundstückseigentümers und Vermieters übergehen sollen, wenn der Mieter die Gebäude nicht innerhalb von sechs Monaten ab Aufforderung durch den Grundstückseigentümer abgebrochen hat. Der BFH sah bei diesem Sachverhalt nach dem Vertragsinhalt u.E. zu Recht eine erhebliche Unsicherheit in der Beurteilung der gegenseitigen Rechte und Pflichten sowie in der tatsächlichen Gestaltung der künftigen Verhältnisse.

 

Rz. 101

[Autor/Stand] Ein Abschlag wurde ebenfalls vom BFH bei einem Fall versagt, in dem aufgrund eines Mietvertrags über 30 Jahre im Jahr 1919 u.a. ein Gebäude auf fremdem Grund und Boden errichtet wurde. Eine Verlängerung nach Ablauf des Vertrags um weitere 30 Jahre durch Erklärung des Mieters war möglich. Seit 1949 lief das Mietverhältnis jedoch auf unbestimmte Dauer mit einjähriger Kündigungsfrist. Bei Beendigung des Mietvertrags war das Grundstück in dem übernommenen Zustand zurückzugeben, falls der Vermieter die Bauten nicht übernimmt. Der Einheitswert für das Gebäude auf fremdem Grund und Boden wurde zuletzt zum 1.1.1974 festgestellt. Der Inhaber des Gebäudes beantragte 1984 zum frühestmöglichen Feststellungszeitpunkt eine Wertfortschreibung unter Berücksichtigung der Wertminderung wegen der Abbruchverpflichtung. Der BFH entschied mit Urteil vom 7.11.1990[9], dass der Abschlag wegen der Abbruchverpflichtung dem Grunde nach berechtigt sei. Er versagte aber im Streitfall den Abschlag, weil im Zeitpunkt der Feststellung des Einheitswerts zum 1.1.1974 der Mietvertrag über die ursprünglich dreißigjährige Laufzeit hinaus weitere 25 Jahre ohne Kündigung gelaufen war. Damit besteht mehr als nur eine "gewisse Wahrscheinlichkeit", dass die Abbruchverpflichtung während der üblichen Lebensdauer des Gebäudes nicht realisiert werde.

 

Rz. 102

[Autor/Stand] Diese Rechtsprechung wurde vom BFH mit Urteil vom 14.10.1992[11] fortgesetzt. Auch in diesem Fall wurde in einem 1963 für zehn Jahre geschlossenen Mietvertrag mit stillschweigender Verlängerung um jeweils fünf Jahre vereinbart, dass bei Beendigung des Mietverhältnisses die Lagerhalle mit zugehörigen Außenanlagen entfernt werden müsse. Das Finanzamt gewährte bei der Bewertung zum 1.1.1987 einen Abschlag wegen vorzeitigen Abbruchs i.H.v. 45 %. Der Mieter des Grundstücks und Eigentümer der Lagerhalle wollte einen Abschlag i.H.v. 95 % erstreiten. Der BFH entschied jedoch, dass aufgrund des tatsächlichen Verhaltens der Beteiligten des Mietvertrags die Voraussetzungen für einen Abschlag vom Wert des Gebäudes auf fremdem Grund und Boden nicht gegeben seien.

 

Rz. 102.1

[Autor/Stand] Zur Frage des bewertungsrechtlichen Abschlags wegen Abbruchverpflichtung hat der BFH mit Urteil vom 16.1.2019[13] entschieden. In seiner Entscheidung führt der BFH aus: Ob der Nichtabbruch eines Gebäudes trotz Abbruchverpflichtung voraussehbar ist, ist anhand des Verhaltens der am konkreten Miet- oder Pachtvertragsverhältnis Beteilig...

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