Dipl.-Finw. (FH) Wilfried Mannek
Rz. 97
Das Hessische Finanzgericht hat mit Urteil vom 24.9.2013 ein mangelhaftes Kurzgutachten nicht zum Nachweis eines geringeren Verkehrswerts zugelassen. Ausschlaggebend dabei waren Mängel in der formellen Ausgestaltung (z.B. fehlende Lagepläne und Zeichnungen) und eine Reihe sachlicher nicht unerheblicher Mängel. Dabei fehlte insb. die Nachvollziehbarkeit hinsichtlich der angesetzten marktüblich erzielbaren Nettokaltmiete, der Ermittlung der Höhe der Bewirtschaftungskosten bei Ansatz des Ertragswerts, der Höhe der Abrisskosten, der Berechnungen eines besonderen Liquidationswertverfahrens, der Höhe des Abschlags vom Bodenwert sowie der ausschließlichen Anwendung des Ertragswertverfahrens.
Das FG führte aus:
„Um den vorgenannten Anforderungen zu genügen, muss das Gutachten sich beispielsweise an den Wertermittlungsverfahren orientieren, die für das zu bewertende Grundstück geeignet sind. So darf es seine Wertermittlung nicht ohne nähere Überprüfung ausschließlich auf das Ertragswertverfahren stützen. Vielmehr muss es berücksichtigen, dass die Renditeerwartungen potentieller Kaufinteressenten nicht das allein Bestimmende für den Wert eines Grundstücks sind, sondern dass die Grundstückseigentümer auch bereit sein müssen, ihre Grundstücke zu einem diesen Erwartungen entsprechenden Preis zu verkaufen (vgl. BFH-Urteile vom 03.12.2008 II R 19/08, BStBl II 2009, 403, und vom 05.12.2007 II R 70/05, BFH/NV 2008, 757).
Nimmt der Sachverständige irgendwelche Abschläge, etwa vom Bodenwert, vor, müssen diese objektivierbar und grundstücksbezogen begründet sein, und zwar nicht nur dem Grunde nach, sondern auch hinsichtlich der Höhe. Allgemeine Ausführungen zu den tatsächlichen Verhältnissen reichen nicht aus. Vielmehr sind die örtlichen Gegebenheiten konkret und im Einzelnen darzulegen. Geht es um einen Abschlag vom Bodenrichtwert, so ist ein Vergleich mit den Grundstücken anzustellen, die der Gutachterausschuss der Ermittlung des Bodenrichtwerts zugrunde gelegt hat (vgl. BFH-Urteil vom 05.05.2010 II R 25/09, BStBl II 2011, 203; BFH-Beschluss von 25.03.2009 II B 62/08, BFH/NV 2009, 1091).
Wird im Gutachten der Bodenwert um etwaige Abbruchkosten gemindert, bedarf dies ebenfalls besonderer Gründe. So ist es beispielsweise nicht zulässig, als Verkehrswert in dieser Weise nur den Saldo zwischen Bodenwert und Abbruchkosten anzusetzen, wenn das auf dem Grundstück stehende Gebäude noch einen positiven Ertragswert hat (vgl. Urteil des Finanzgerichts München vom 12.10.2011 4 K 2955/07, EFG 2012, 807).
Insgesamt gesehen muss das Gutachten in seiner inhaltlichen Aussagefähigkeit den allgemeinen Regeln der Wertermittlungslehre entsprechen. So hat der Sachverständige alle ihm zugänglichen Erkenntnisquellen vollständig und sachgerecht auszuwerten und in nachvollziehbarer Weise im Gutachten darzulegen (vgl. Kleiber, Wertermittlung von Grundstücken, 6. Auflage, V., § 8 ImmoWertV, Rn. 30, zur Auswahl des zutreffenden Wertermittlungsverfahrens).
a) Das von der Klägerin vorgelegte ‚Kurzgutachten‘ weist im Vergleich zu Verkehrswertgutachten, wie sie beispielsweise von den Gutachterausschüssen erstellt werden, schon hinsichtlich der formellen Ausgestaltung gewisse Mängel auf.
So fehlen im Gutachten eine Übersichtskarte der Gemeinde, ein Lageplan, die üblichen Zeichnungen zur baulichen Gestaltung der Gebäude (Grundrisse, Schnitte, Außenansichten), die üblichen Aufstellungen über die Maßgrößen (Wohn- bzw. Nutzflächen, Bruttorauminhalt usw.) sowie Fotografien von dem Grundstück und seiner Umgebung.
In der mündlichen Verhandlung hat der Sachverständige V zur inhaltlichen Gestaltung des Gutachtens erklärt: Er selbst habe keine Aufmaße genommen. Die von ihm verwendete Wohnflächenberechnung sei ihm von der Klägerin zur Verfügung gestellt worden. Es hätten ihm auch keine Pläne über die Baulichkeiten vorgelegen. Warum er unter diesen Umständen keine Notwendigkeit gesehen hat, den baulichen Zustand der Gebäude durch Fotografien zu dokumentieren, hat er nicht deutlich gemacht. Auch hat er keine Erklärung dafür gegeben, warum er seine Wertermittlung auf Angaben gestützt hat, deren Richtigkeit er nicht selbst geprüft hat.
Zur äußeren Gestaltung des Gutachtens hat der Sachverständige V weiter erklärt: er habe von der Klägerin lediglich den Auftrag für ein Kurzgutachten erhalten. Nach seiner Erfahrung hätten in anderen Verfahren die betreffenden Finanzämter solche Kurzgutachten immer akzeptiert. Demgegenüber hatte der Berichterstatter des Senats den Prozessbevollmächtigten der Klägerin deutlich darauf hingewiesen, dass das nach § 146 Abs. 7 BewG vorzulegende Gutachten den allgemein gültigen Regeln der Grundstücksbewertung entsprechen und in sich schlüssig sein muss.”
Ferner nahm das FG ausführlich zu den sachlichen Mängeln Stellung und wertete die Darstellungen des Sachverständigen insgesamt als nicht plausibel. Daraus wird ersichtlich, dass ein Gutachten schlüssig und nachvollziehbar begründet werden muss.