Prof. Dr. Franz Jürgen Marx
Rz. 60
Der Teilerlass bei eigengewerblich genutzten bebauten Grundstücken ist nach § 34 Abs. 2 Satz 2 GrStG an die weitere Voraussetzung geknüpft, dass die vollständige Einziehung der Grundsteuer nach den wirtschaftlichen Verhältnissen des Betriebs unbillig wäre, was eine hohe Hürde für den Erlass in dieser Konstellation bedeutet. Unbilligkeit stellt auf die objektiven wirtschaftlichen Verhältnisse des jeweiligen Unternehmens ab. Damit ist das Tatbestandsmerkmal – anders als die entsprechenden Begriffe in §§ 163, 227 AO als unbestimmter Rechtsbegriff zu qualifizieren, dessen Anwendung der vollen gerichtlichen Nachprüfung unterliegt.
Rz. 61
Persönliche Billigkeitsgründe des Betriebsinhabers oder andere Verhältnisse sind nicht zu berücksichtigen. Das Gesetz definiert die Unbilligkeit nicht, sondern grenzt mit § 34 Abs. 2 Satz 2 GrStG lediglich negativ ab. Von der Rechtsprechung wird Unbilligkeit angenommen, wenn erstens das wirtschaftliche Ergebnis des Gesamtbetriebs im Erlasszeitraum negativ ausfällt und es zweitens für diesen Betrieb unzumutbar ist, die ungekürzte Grundsteuer aus dem Vermögen oder nach Kreditaufnahme zu entrichten. Bei der Beurteilung sind ggfs. Kompensationszahlungen für die Ausfälle zu berücksichtigen, beispielsweise Erstattungen aus Versicherungen.
Rz. 62
Bei der Prüfung, ob es unbillig ist, die Grundsteuer bei eigengewerblich genutzten bebauten Grundstücken zu erheben, müssen die wirtschaftlichen Verhältnisse des Gesamtunternehmens betrachtet werden. Das gilt auch, wenn das Grundstück zu einer von mehreren Betriebsstätten gehört. Im Fall einer Organschaft ist für die Beurteilung nicht nur auf die Organgesellschaft, sondern auch auf den Organträger abzustellen. Unbilligkeit liegt nach A 34.3 Abs. 5 Satz 5 AEGrStG vor, wenn das Gesamtunternehmen ein negatives Betriebsergebnis erzielt und die Entrichtung der Grundsteuer aus dem Vermögen oder durch Kreditaufnahme nicht zumutbar ist. Der Begriff des Betriebsergebnisses ist unscharf. Daher sollte aus Objektivierungsgründen eine ertragsteuerliche Gewinnermittlung (§§ 4, 5 EStG) vorgelegt werden. Daneben ist auf die Liquidität des Gesamtunternehmens abzustellen. Unbillig ist die Einziehung der Grundsteuer, wenn das Unternehmen durch die Zahlung in Liquiditätsproblem kommen würde. Zudem darf die Grundsteuer innerhalb des gesamten Betriebsaufwands nicht nur von geringfügigem Gewicht sein. Diese Voraussetzungen sind für das Kalenderjahr zu prüfen, für das der Erlass beantragt wird. Der Steuerschuldner muss der Gemeinde somit Plandaten vorlegen.
Rz. 63
Unbilligkeit der Einziehung der Grundsteuer 8
Unternehmen T-GmbH betreibt auf eigenem Grundstück eine Tennishalle in Form einer Dreifelderhalle mit moderner LED-Beleuchtung für optimale Sicht und einem hochwertigen Tennisvelourboden speziell für profillose Tennisschuhe.
Die Gemeinde B hat die Grundsteuer für das Grundstück i.H.v. 2.789,68 EUR festgesetzt.
Im März 2027 stellt der Steuerschuldner einen Antrag auf Erlass der Grundsteuer gemäß § 34 Abs. 2 GrStG. Bedingt durch einen allgemein zu verzeichnenden Trend zeigt sich eine Minderung der Ausnutzung des Grundstücks, der gemessen an den Buchungen im Vergleich zu den Vorjahren 65 % ausmacht. Die Liquidität des Unternehmens ist stark angespannt. Die Plan-Gewinnermittlung weist für das Jahr 2027 einen Verlust von 20.177, 99 EUR aus. Die Summe der Betriebsausgaben beträgt 55.151,05 EUR. Dabei sind die betriebswirtschaftlich notwendigen Einsparungen schon berücksichtigt.
Die vollständige Einziehung der Grundsteuer wäre nach den wirtschaftlichen Verhältnissen des Betriebs unbillig. Sie fällt bei der Summe der Betriebsausgaben mit 5 % nicht nur geringfügig ins Gewicht. Da die Minderung der Ausnutzung mehr als 50 % beträgt, ist die Grundsteuer i.H.v. 25 % zu erlassen.