Dipl.-Finw. (FH) Wilfried Mannek
Rz. 490
Das FG Münster hat mit Urteil vom 15.1.2015 entschieden, dass Wertpapiere, die Rechte der Einleger (Anteilinhaber) gegen eine Kapitalgesellschaft oder einen sonstigen Fonds verbriefen (Anteilscheine), auch dann nach § 11 Abs. 4 BewG mit dem Rücknahmepreis anzusetzen sind, wenn der Tagesschlusskurs an der Stuttgarter Börse geringer ist als der Rücknahmepreis. Nach dem Urteil sieht der in § 11 Abs. 4 BewG normierte Ansatz von Fondsanteilen mit dem Rücknahmepreis keine Ausnahme von diesem Grundsatz vor, so dass auch bei Schließung des Fonds die Wertpapiere weder mit dem Börsenkurs nach § 11 Abs. 1 BewG noch mit dem gemeinen Wert nach § 11 Abs. 2 BewG zu bewerten sind.
Rz. 491
In dem entschiedenen Fall wurde der Rücknahmepreis eines in Auflösung befindlichen Fonds aus dem umgerechneten "Reinvermögen" des Fonds berechnet (Vermögen abzüglich aller Verbindlichkeiten). Parallel zum Rücknahmepreis war jedoch auch ein Handel der Fonds-Anteile an der Börse möglich. Der Tagesschlusskurs an der Stuttgarter Börse war dabei geringer gewesen als der Rücknahmepreis, weil es aufgrund der Auflösung des Fonds zu "Panikabschlägen" gekommen ist. Allerdings konnte damit gerechnet werden, dass im Laufe der Auflösungsphase durchaus der Rücknahmepreis zu erreichen war.
Rz. 492
Das FG Münster führt aus:
„Nach § 11 Abs. 4 Bewertungsgesetz in der im Streitjahr 2013 geltenden Fassung (im Folgenden: BewG) sind Wertpapiere, die Rechte der Einleger (Anteilinhaber) gegen eine Kapitalgesellschaft oder einen sonstigen Fonds verbriefen (Anteilscheine), mit dem Rücknahmepreis anzusetzen. Für eine hiervon abweichende Bewertung gibt das Bewertungsgesetz keine Rechtsgrundlage. Dass die an der Stuttgarter Börse gehandelten Fondsanteile am Stichtag einen geringeren Kurs erzielten als den Rücknahmepreis, ist deswegen für Zwecke der Erbschaftsteuerfestsetzung unbeachtlich. Eine Auslegung gegen den Wortlaut des Gesetzes ist nach Auffassung des Senats nicht geboten, auch wenn der Tagesschlusskurs wie im Streitfall niedriger ist als der Rücknahmepreis.
Die Schließung des Fonds führt nicht dazu, dass die Wertpapiere mit dem Börsenkurs nach § 11 Abs. 1 BewG oder mit dem gemeinen Wert nach § 11 Abs. 2 BewG zu bewerten sind. Denn § 11 Abs. 4 BewG sieht eine Ausnahme vom Ansatz der Anteile mit dem Rücknahmepreis nicht vor.
Auch die durch Gesetz vom 18.12.2013 geänderte Fassung des § 11 Abs. 4 BewG führt zu keinem anderen Ergebnis. Denn nach der Neufassung von § 11 Abs. 4 BewG sind Anteile oder Aktien, die Rechte an einem Investmentvermögen im Sinne des Kapitalanlagegesetzbuchs verbriefen, mit dem Rücknahmepreis anzusetzen.”
Rz. 493
Damit hat sich das FG Münster dafür entschieden, der Vorschrift des § 11 Abs. 4 BewG (Ansatz mit dem Rücknahmepreis) als Spezialvorschrift Vorrang vor dem Ansatz des Kurswerts nach § 11 Abs. 1 BewG einzuräumen.