Dipl.-Finw. (FH) Gerhard Bruschke
Rz. 28
Der Ausschluss von Billigkeitsmaßnahmen bei der Einheitsbewertung galt nach der Rechtsprechung des BFH auch für Billigkeitsmaßnahmen aufgrund von Übergangsregelungen, die die Finanzverwaltung zur Milderung der Folgen einer verschärfenden Rechtsprechung trifft. Auch diese durften bis zur Einfügung des § 20 Satz 2 Halbs. 2 BewG nur im Rahmen der Steuerfestsetzung der Folgesteuern getroffen werden.
Rz. 29
Diese restriktive Auslegung galt nach der neuen Rechtsprechung auch für Artfeststellungen. Gerade bei Artfeststellungen war jedoch die Frage, in welchem Verfahren Billigkeitsmaßnahmen aufgrund von Übergangsregelungen zu treffen sind, besonders bedeutsam geworden, nachdem der BFH die Anforderungen an den Wohnungsbegriff verschärft hatte und dadurch viele Zweifamilienhäuser zu Einfamilienhäusern wurden. Ein abmildernder Erlass der Finanzverwaltung, wonach die neue Rechtsprechung erst zu einem späteren Zeitpunkt anzuwenden sein sollte, wurde vom BFH verworfen.
Rz. 30
Durch die Einfügung des § 20 Satz 2 Halbs. 2 BewG hat der Gesetzgeber in diesem Streitpunkt für Klarheit gesorgt. Danach sind Billigkeitsmaßnahmen aufgrund von Übergangsregelungen unmittelbar bei der Ermittlung der Einheitswerte zu berücksichtigen. Letztlich hat sich also der Standpunkt der Finanzverwaltung über eine Änderung des Gesetzes durchgesetzt.
Rz. 31
Der zeitliche Anwendungsbereich des § 20 Satz 2 Halbs. 2 BewG ist in § 124 Abs. 6 BewG geregelt. Die Vorschrift war auch für Feststellungszeitpunkte vor dem 1.1.1993 anzuwenden, soweit die entsprechenden Feststellungsbescheide noch nicht bestandskräftig waren oder unter dem Vorbehalt der Nachprüfung standen. Das entspricht dem Grundsatz, dass neue verfahrensrechtliche Vorschriften auf alle offenen Fälle anzuwenden sind, wenn sie nicht gleichzeitig materielles Recht oder Ermessensentscheidungen beeinflussen.
Rz. 32
Übergangsregelungen im vorstehenden Sinne sind Anordnungen der obersten Finanzbehörden der Länder, in denen sie bestimmen, dass eine die Rechtslage zu Lasten der Steuerpflichtigen verschlechternde Rechtsprechung eines obersten Gerichtshofs des Bundes erst nach einer Übergangszeit, also nicht schon für alle noch offenen Fälle, anzuwenden ist. Solche Übergangserlasse basieren auf dem Grundsatz von Treu und Glauben und haben ihre Rechtsgrundlage in § 163 Abs. 1 AO. Sie sind, wenn sie rechtmäßig sind, auch von den Gerichten zu beachten. Die Verschlechterung kann gegenüber einer höchstrichterlichen Rechtsprechung, aber auch gegenüber bisherigen Verwaltungsvorschriften oder einer allgemeinen Verwaltungsübung eintreten.
Rz. 33
Keine Übergangsregelungen i.S. des § 20 Satz 2 Halbs. 2 BewG sind die so genannten Nichtanwendungserlasse der Finanzverwaltung, die bestimmen, dass eine höchstrichterliche Entscheidung nicht anzuwenden ist.
Rz. 34
Bei der Ermittlung der Einheitswerte können nur solche Übergangsregelungen beachtet werden, die von einer obersten Finanzbehörde eines Landes im Einvernehmen mit allen anderen getroffen werden. Übergangsregelungen des Bundesfinanzministers und einzelner Länder ohne Einvernehmen aller übrigen sind also nicht zu berücksichtigen. Übergangsregelungen zu neuen, belastenden Gesetzen müssen vom Gesetzgeber selbst getroffen werden.
Rz. 35
Wie aus dem Wortlaut des § 20 Satz 2 BewG zu entnehmen ist, muss das Finanzamt die Billigkeitsmaßnahme unmittelbar im Rahmen der Feststellung des Einheitswerts treffen. Es handelt sich also entgegen des sonst verlangten zweigleisigen Verfahrens um ein eingleisiges Verfahren. Üblicherweise erlässt die zuständige Finanzbehörde nämlich zunächst einen Verwaltungsakt, in dem sie die Billigkeitsmaßnahme anordnet, und dann diesen Verwaltungsakt in einem zweiten Schritt als Grundlagenbescheid in die Steuerfestsetzung einfließen lässt. Bei der Einheitsbewertung wird dieser Zwischenschritt unterlassen, da die Entscheidung über eine Billigkeitsmaßnahme "bei der Ermittlung der Einheitswerte" zu treffen ist.
Rz. 36– 38
Einstweilen frei.