Dipl.-Finw. (FH) Wilfried Mannek
I. Rücknahmepreis maßgebend
Rz. 478
Nach § 11 Abs. 4 BewG sind Anteile oder Aktien, die Rechte an einem Investmentvermögen im Sinne des Kapitalanlagegesetzbuchs verbriefen, mit dem Rücknahmepreis anzusetzen. Der Rücknahmepreis entspricht dem Preis, für den ein Anteil von der Investmentgesellschaft bindend zurückgenommen wird. Er ergibt sich aus dem Inventarwert pro Anteil.
Rz. 479
Zu dessen Berechnung ist der Gesamtwert der im Vermögen eines Investmentfonds befindlichen Wertpapiere und Barmittel einschließlich eventueller Kassenbestände um die Verkaufsspesen und Rücknahmekosten zu mindern. Er wird in der Regel börsentäglich errechnet und veröffentlicht. Mithin bildet er den realen Vermögensstand der Fondsanteile objektiv ab.
II. Konkurrenz zum Kurwertansatz denkbar
Rz. 480
Derartige Investmentanteile können auch an der Börse gehandelt werden, so dass in diesen Fällen Kurswerte vorhanden sind, die nach § 11 Abs. 1 BewG angesetzt werden könnten. Damit ist in der Praxis bei Aktien mit einer Kursnotierung die Frage relevant, ob § 11 Abs. 4 BewG als Spezialregelung zum Kurswertansatz nach § 11 Abs. 1 BewG anzusehen ist. Die Frage ist bei Fondsanteilen aufgetreten, bei denen die Rücknahme durch den Fonds ausgesetzt war.
III. Begriffsbestimmung
Rz. 481
Offene Immobilienfonds stellen sog. Sondervermögen dar. Die Kapitalanlagegesellschaft bündelt die Gelder einer nicht begrenzten Anzahl von Anlegern. Fordert ein Anleger seine Einlage zurück, zahlt die Kapitalanlagegesellschaft den Rücknahmepreis aus.
Rz. 482
Jeder Anleger kann von der Kapitalanlagegesellschaft verlangen, dass ihm gegen Rückgabe des Anteils sein Anteil an dem Sondervermögen aus diesem ausgezahlt wird. Allerdings regelt § 98 KAGB für Immobilienfonds unter bestimmten Voraussetzungen die Aussetzung der Rücknahme. So kann beispielsweise im Rahmen der Finanzkrise bei einer Flut von Rückgabeanfragen und der Gefahr, dass die Liquidität der Gesellschaft gefährdet wird, eine Rücknahme ausgesetzt werden. Denn es wäre wirtschaftlich wenig sinnvoll, wenn die Gesellschaft aufgrund von Rückgabeanfragen trotz niedriger Immobilienpreise kurzfristig Immobilien veräußern müsste, nur um die nötige Liquidität sicherzustellen, weil im Ergebnis die Anlageinteressen der verbleibenden Anleger beeinträchtigt würden. Die Rückgabe kann für eine bestimmte Zeit ausgesetzt werden. Anschließend sind eine erneute Aussetzung sowie die Kündigung des Fonds und seine anschließende Auflösung möglich.
Rz. 483
Anteile an Investmentfonds werden auch am Börsenzweitmarkt gehandelt. Dabei richten sich die Zweitmarktkurse nicht nur nach den von den Fondsgesellschaften täglich veröffentlichten Rücknahmepreisen, sondern auch nach dem Grundsatz von Angebot und Nachfrage. Unter dem Zweitmarkt ist ein Markt zu verstehen, in dem Gesellschaftsanteile an geschlossenen Fonds während der Laufzeit gehandelt werden. Der Bedarf für den Zweitmarkt hat sich gebildet, weil bei Anteilen an geschlossenen Fonds aufgrund der regelmäßig längeren Laufzeiten ein Ausscheiden aus dem Fonds grundsätzlich nur möglich war, wenn ein Käufer für den Anteil gefunden werden konnte. Mit der Konzeption eines Zweitmarktes, den eine hinreichend große Zahl von möglichen Käufern beobachtet, wird das Ausscheiden aus einem geschlossenen Fonds wesentlich erleichtert. Die Plattformen des Zweitmarktes werden von Emissionshäusern, Maklern und anderen institutionellen Investoren unterhalten.
Rz. 484
Ist die Rückgabe eines Fondsanteils ausgesetzt, wird häufig – begrifflich ungenau – von einem geschlossenen Fonds gesprochen. Im Ergebnis ist der offene Fonds für den Zeitraum der ausgesetzten Rücknahme der Anteile faktisch mit einem geschlossenen Fonds vergleichbar, weil ein Ausscheiden aus dem Investmentvermögen nur möglich ist, wenn der Anleger einen Käufer findet. Insofern ist es nachvollziehbar, dass nicht nur geschlossene Fondsanteile auf dem Zweitmarkt gehandelt werden, sondern auch offene Fonds, deren Rücknahme ausgesetzt ist.
Rz. 485
Der nach § 11 Abs. 4 BewG anzusetzende Rücknahmepreis richtet sich nach § 36 Abs. 1 InvG. Danach berechnet sich der Rücknahmepreis grundsätzlich börsentäglich durch Teilung des Werts des Sondervermögens durch die Zahl der in den Verkehr gelangten Anteile. Allerdings ist in der Praxis zu beobachten, dass bei von der Rücknahme ausgesetzten offenen Immobilienfonds erhebliche Wertunterschiede in dem (ausgesetzten) Rücknahmepreis und dem an der Zweitmarktbörse tatsächlich erzielten Preisen.
Rz. 486– 489
Einstweilen frei.