Dipl.-Finw. (FH) Wilfried Mannek
1. Bedeutung in der Praxis
Rz. 521
Die Maßgeblichkeit des Stuttgarter Verfahrens für Zwecke der Erbschaft-/Schenkungsteuer ist bei Bewertungszeitpunkten vor dem 1.1.2009 anerkannt. Die Frage, wie Anteile an Kapitalgesellschaften für andere steuerliche Zwecke vor dem 1.1.2009 zu bewerten waren, war dagegen durchaus unterschiedlich diskutiert worden.
Rz. 522
Allerdings führte die nach § 11 Abs. 2 BewG a.F. vorgesehene Schätzung des gemeinen Werts von nicht notierten Anteilen an Kapitalgesellschaften unter Berücksichtigung des Vermögens und der Ertragsaussichten in tatsächlicher Hinsicht allenfalls zufällig zu dem Wert, der bei einer Veräußerung des Wirtschaftsguts zu erzielen wäre. Zwar unterstellte das Bewertungsgesetz, dass die Schätzung nach § 11 Abs. 2 BewG den gemeinen Wert abbildet. Diese Unterstellung entsprach jedoch regelmäßig nicht der Wirklichkeit. Das lag einerseits daran, dass sich die Unternehmensbewertung regelmäßig nicht mehr sowohl an der Substanz als auch am Ertrag, sondern ausschließlich am Ertrag orientiert. Anderseits ist dafür auch die sehr grob pauschalierende Methodik des Stuttgarter Verfahrens verantwortlich. Auch wenn die Finanzverwaltung entgegen dieser Erkenntnisse in R 17 Abs. 6 Satz 2 ErbStR 2003 ausdrücklich von einer Identität zwischen dem Verkehrswert und dem gemeinen Wert nach dem Stuttgarter Verfahren ausgeht, verbessert dies nicht die Ergebnisse des Stuttgarter Verfahrens.
Rz. 523
Die Bezugnahme auf die Werte nach dem Stuttgarter Verfahren hatte in vielen Gesellschaftsverträgen einen festen Platz. Das hatte den Vorteil, dass eine Berechnungsmethode zur Verfügung stand, mit der die Gesellschafter im Falle einer Abfindung relativ rechtssicher auf einen kalkulierbaren Wert zurückgreifen konnten, der gleichzeitig tendenziell unterhalb des tatsächlichen Werts der Anteile lag. Zudem liefen die Gesellschafter nicht Gefahr, wegen einer unter dem Verkehrswert liegenden Abfindung nach § 7 Abs. 7 ErbStG in Höhe der Differenz besteuert zu werden, weil der steuerrechtlich anzusetzende Wert ebenso wie die Abfindung nach dem Stuttgarter Verfahren zu berechnen war.
Das Stuttgarter Verfahren ist in der Praxis nach der Einführung des vereinfachten Ertragswertverfahrens nach §§ 199 ff. BewG nur noch bei Bewertungsstichtagen vor dem 1.1.2009 anzuwenden. Gleichwohl findet es zum Teil noch Anwendung, soweit gesellschaftsvertragliche Regelungen auf die Wertermittlung des Stuttgarter Verfahrens verweisen. Aus diesem Grund wird die bisherige Kommentierung zum Stuttgarter Verfahren noch für eine Übergangszeit abgedruckt.
2. Maßgeblichkeit bei der Erbschaft-/Schenkungsteuer (vor dem 1.1.2009)
Rz. 524
Bei der Erbschaft-/Schenkungsteuer bestand für Bewertungsstichtage vor dem 1.1.2009 eine Bindung an das Stuttgarter Verfahren. Sie ergab sich aus § 1 Abs. 1 BewG, weil danach die allgemeinen Bewertungsvorschriften (§§ 2 bis 16 BewG) für alle öffentlich-rechtlichen Abgaben gelten, die durch Bundesrecht geregelt sind, soweit sie durch Bundes- oder Landesfinanzbehörden verwaltet werden. Die allgemeinen Bewertungsvorschriften gelten nach § 1 Abs. 2 BewG nur dann nicht, soweit im Zweiten Teil des Bewertungsgesetzes oder in einem anderen Steuergesetz besondere Bewertungsvorschriften enthalten sind. Somit war die in § 11 Abs. 2 BewG a.F. vorgesehene Schätzung unter Berücksichtigung des Vermögens und der Ertragsaussichten der Kapitalgesellschaft bei der Erbschaft-/Schenkungsteuer maßgebend. Keine "besondere Bewertungsvorschrift" im engeren Sinne des § 1 Abs. 2 BewG ist § 12 Abs. 2 ErbStG a.F. Denn diese Vorschrift war nur anwendbar, wenn die Voraussetzungen für eine Bewertung nach § 11 Abs. 2 BewG a.F. bereits erfüllt sind. Für diesen Fall regelte § 12 Abs. 2 ErbStG a.F., wie das Vermögen der Kapitalgesellschaft zu bewerten ist. Insoweit wurde die bei der Bewertung des Betriebsvermögens für Bewertungsstichtage vor dem 1.1.2009 allgemein geltende grundsätzliche Maßgeblichkeit der Steuerbilanz übernommen.
Rz. 525
Neben den gesetzlichen Regelungen war auch das in R 97 ff. ErbStR 2003 vorgesehene Stuttgarter Verfahren für Zwecke der Erbschaft-/Schenkungsteuer für die Finanzverwaltung bindend. Denn nach den Anweisungen in der Einführung der ErbStR 2003 handelte es sich um Weisungen an die Finanzbehörden zur einheitlichen Anwendung des Erbschaft-/Schenkungsteuerrechts und der dazu notwendigen Regelungen des Bewertungsrechts.
3. Keine Maßgeblichkeit bei der Ertragsteuer
Rz. 526
Für ertragsteuerliche Zwecke hatte sich die Finanzverwaltung bereits seit 1995 faktisch von der ausschließlichen Maßgeblichkeit des Stuttgarter Verfahrens nach den Vorgaben des § 11 Abs. 2 BewG und der Vermögensteuer- bzw. der nachfolgenden Erbschaftsteuer-Richtlinien gelöst. Grund dafür war insbesondere, dass die Übernahme der S...