Rz. 191
Die Bestimmung des § 3 WertVO enthält Sonderregelungen für die Ermittlung der Wertzahl bei stillliegenden bzw. stillgelegte Fabriken. Der Umstand, dass eine Fabrik nicht nur vorübergehend stillliegt, wirkt sich im Allgemeinen wertmindernd auf den gemeinen Wert des Grundstücks aus. Deshalb wird nach § 3 WertVO die jeweilige nach § 2 Abs. 1 und § 4 WertVO für das Grundstück in Betracht kommende Wertzahl ermäßigt. Dabei ist zwischen den folgenden drei Fallgruppen zu unterscheiden:
- § 3 Nr. 1 WertVO: Lässt sich das Grundstück nicht mehr für einen Fabrikbetrieb, aber noch für andere Zwecke verwenden, so ermäßigt sich die Wertzahl um 10.
- § 3 Nr. 2 WertVO: Lässt sich das Grundstück noch für einen Fabrikbetrieb verwenden, steht aber nicht fest, dass der Betrieb spätestens nach zwei Jahren wieder aufgenommen wird, so ermäßigt sich die Wertzahl um 5.
- § 3 Nr. 3 WertVO: Steht fest, dass ein Fabrikbetrieb spätestens nach zwei Jahren wieder aufgenommen wird, so wird keine Ermäßigung gewährt. Es ist dann die gewöhnlicherweise nach § 2 WertVO in Betracht kommende Wertzahl anzuwenden.
Rz. 192
Voraussetzung für die Anwendung des § 3 WertVO ist, dass es sich um ein ursprünglich zu einem Fabrikbetrieb gehörendes Grundstück handelt (hinsichtlich des Begriffes Fabrik bzw. Fabrikgrundstück vgl. Rz. 61). Die Sonderregelung soll nach der Auffassung der Finanzverwaltung nur für solche Grundstücke gelten, die in ihrer Gesamtheit als Fabrikgrundstücke anzusehen sind. § 3 WertVO trage dem Umstand Rechnung, dass durch die Stilllegung eine Minderung des gemeinen Wertes eintrete; letzteres sei aber nur dann der Fall, wenn der gesamte Betrieb eingestellt werde.. Eine Einstellung bzw. Stilllegung kann angenommen werden, wenn eine Entscheidung der Unternehmensleitung zur vollständigen Beendigung der fabrikmäßigen Geschäftstätigkeit getroffen worden ist und nunmehr keine Arbeitstätigkeiten auf dem Grundstück vorgenommen werden. Die Entscheidung über die Stilllegung allein reicht nicht zur Annahme des gesetzlichen Tatbestandes aus. Gründe für die Stilllegung werden in erster Linie wirtschaftlicher Art sein (z.B. Insolvenz, Restrukturierung einer Unternehmensgruppe, Verlagerung des Betriebs). Es kommen aber auch nichtwirtschaftliche Gründe in Betracht (z.B. behördliche Versagung der Betriebsgenehmigung, Einstellung des Geschäftsbetriebs aus altersbedingten Gründen des Inhabers). Die nur teilweise Stilllegung der Fabrik bzw. ein verminderter Umfang der Tätigkeiten dürfte für die Subsumtion unter den Begriff der Stilllegung i.S. des § 3 WertVO nicht ausreichend sein. Allerdings wird sich bei einer nur noch geringfügigen Verwendung des Grundstücks zum ursprünglichen Fabrikationsbetrieb (aus Billigkeitsgründen) die Anwendung des § 3 WertVO nicht verneinen lassen.
Rz. 193
§ 3 WertVO geht davon aus, dass zum Zeitpunkt der Verwertung keinerlei Geschäftstätigkeit auf dem Grundstück mehr ausgeübt wird. Es wird damit der Zustand berücksichtigt, der gewöhnlicherweise nach einer Stilllegung vor der abschließenden Entscheidung über die weitere Verwendung des Grundstücks besteht. § 3 WertVO gilt demnach nicht für ehemalige Fabrikgrundstücke, die bereits für einen anderen Zweck genutzt werden. In diesem Fall ist die Bewertung für Geschäftsgrundstücke nach § 2 Abs. 1 Buchst. A. Nr. 1–10 WertVO vorzunehmen. Unter Berücksichtigung aller den Wert beeinflussenden Faktoren muss eine künftige Nutzung als Fabrikgrundstück mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auszuschließen sein. Der Umfang eines dazu entsprechenden Nachweises durch den Antragssteller hängt vom Einzelfall ab. In Abhängigkeit von der einzelnen Situation kann von der Fortführung des Fabrikbetriebes mit unterschiedlichen Wahrscheinlichkeiten ausgegangen werden. Entsprechend muss dann auch der Umfang der Nachweispflicht durch den Steuerpflichtigen zur Inanspruchnahme der Wertzahlen gem. § 3 WertVO variieren.
Rz. 194
Ist mit der Wiederaufnahme des Fabrikbetriebs dagegen kurzfristig nicht zu rechnen, so ist die Wertzahl zu ermäßigen. Untere Grenze der Wertzahl ist 50. Grundstücke, deren Gebäude für einen Fabrikbetrieb nicht mehr in Betracht kommen, die sich aber für andere Zwecke, z.B. Wohnzwecke, verwerten lassen, sind nach den allgemeinen Vorschriften zu bewerten, die für die entsprechenden Grundstücksgruppen gelten. Umbaukosten, verminderte Verwertungsmöglichkeiten usw. sind bei der Bewertung als wertmindernde Umstände zu berücksichtigen. Werden Gebäude eines Fabrikgrundstücks nicht mehr unterhalten und sind sie deshalb dem Verfall preisgegeben, erfolgt keine Bewertung.
Rz. 195
Ist dagegen mit einer Wiederaufnahme des Fabrikbetriebes zu rechnen, bestimmt sich die Wertzahl ausschließlich nach § 2 WertVO. Diese Fallgruppe steht häufig in Zusammenhang mit Veräußerungsvorgängen, bei denen der Veräußerer den Fabrikbetrieb zunächst einstellt und anschließend ein Erwerber den Betrieb auf dem erworbenen Grundstück for...