Dipl.-Finw. (FH) Gerhard Bruschke
Rz. 164
Ein Fortschreibungsbescheid über den Wert, die Art und die Zurechnung einer wirtschaftlichen Einheit ist eine Zusammenfassung von mehreren Verwaltungsakten, die selbständig anfechtbar sind und selbständig bestandskräftig werden können. Das gilt auch für fehlerbeseitigende Fortschreibungen. Da bei Fortschreibungen anders als bei einer Hauptfeststellung jede Fortschreibungsart in einem besonderen Bescheid geregelt werden kann, ist der Auffassung, es handele sich bei einem Bescheid der mehrere Fortschreibungsarten enthält, um eine Verwaltungsmaßnahme mit mehreren Verwaltungsakten, zu folgen. Auch die Feststellung der Grundstücksart "Betriebsgrundstück" (vgl. § 19 Abs. 1 und § 99 BewG) ist eine selbständig anfechtbare Regelung, die in einem Ergänzungsbescheid nachgeholt werden kann.
Rz. 165
Ob der Fortschreibungsbescheid einen Verwaltungsakt oder mehrere selbständig anfechtbare Verwaltungsakte enthält, ist erforderlichenfalls durch Auslegung des Bescheids zu ermitteln. Hat das Finanzamt nur den Einheitswert im Fortschreibungsbescheid herab- oder heraufgesetzt und die Feststellungen der Art und der Zurechnung aus dem vorangegangenen Feststellungsbescheid unverändert übernommen, so stellt auch nur die Wertfortschreibung eine anfechtbare Neuregelung i.S.d. § 118 AO dar. Im Übrigen enthält der Fortschreibungsbescheid nur eine nicht anfechtbare wiederholende Verfügung.
Rz. 166
Allerdings kann die Wiederholung einer bereits zu einem früheren Stichtag erfolgten Feststellung im Fortschreibungsbescheid auch die Ablehnung einer beantragten oder von Amts wegen durchzuführenden Fortschreibung zum Inhalt haben. In diesem Fall ist die Ablehnung selbständig angreifbar.
Rz. 167
Beispiel:
Der Eigentümer eines bisher als Einfamilienhaus bewerteten Grundstücks beantragt, auf den 1.1.2008 eine Artfortschreibung zum Zweifamilienhaus vorzunehmen. Das Finanzamt erlässt auf diesen Stichtag einen Fortschreibungsbescheid, mit dem es den Einheitswert heraufsetzt; der Bescheid enthält außerdem den Vermerk: "Grundstücksart wie bisher Einfamilienhaus". In diesem Fall enthält der Bescheid zwei selbständig anfechtbare Regelungen: Die Einheitswertfortschreibung und die Ablehnung der Artfortschreibung.
Rz. 168
Das Finanzamt muss für jede Fortschreibungsart gesondert prüfen und entscheiden, ob die Voraussetzungen für sie vorliegen, und vor allem, auf welchen Zeitpunkt sie vorzunehmen ist. Tatsächliche Änderungen, die zu einer Wertfortschreibung führen, rechtfertigen für sich allein nicht auch eine Artfortschreibung. S. dazu auch Anm. 139.
Rz. 169
Die gesonderte Prüfung jeder Fortschreibungsart ermöglicht es dem Finanzamt, die einzelnen Fortschreibungsarten für einen bestimmten Feststellungszeitpunkt in einem Bescheid zusammenzufassen oder sie nacheinander in je einem besonderen Bescheid durchzuführen. Eine nochmalige Fortschreibung der gleichen Art auf den gleichen Feststellungszeitpunkt ist wegen der Bestandskraft der ersten Feststellung jedoch nicht statthaft. Insoweit kommt nur eine Berichtigung oder Änderung der Feststellung nach §§ 129, 172 ff. AO in Betracht.
Rz. 170
Der Stpfl. muss die einzelnen Fortschreibungsarten gesondert anfechten, wenn er ihre Bestandskraft verhindern will. Wendet er sich nur gegen eine der Fortschreibungsarten, werden die anderen unanfechtbar. Hat er sich z.B. zunächst nur gegen die Artfeststellung gewandt, kann er nach Ablauf der Rechtsbehelfsfrist nicht mehr die Wertfeststellung angreifen. Hat das Finanzamt nur eine Zurechnungsfortschreibung vorgenommen, kann der Stpfl. die Wertfeststellung, die im Bescheid unverändert geblieben ist und lediglich nachrichtlich aus einem Bescheid für einen vorangegangenen Stichtag übernommen ist, nicht anfechten. Inwieweit er den Fortschreibungsbescheid bei mehreren Fortschreibungsarten angefochten hat, ist durch Auslegung des Rechtsbehelfs zu ermitteln.
Rz. 171
Auf die Erforderlichkeit der Anfechtung jeder selbständigen Feststellung sollte in der Rechtsbehelfsbelehrung des Bescheids (vgl. § 356 Abs. 1 AO) hingewiesen werden. Fehlt der Hinweis, ist die Rechtsbehelfsbelehrung jedoch nicht unrichtig, weil die Behörde nicht verpflichtet ist, in der Rechtsbehelfsbelehrung darauf hinzuweisen, wie viele selbständig anfechtbare Verwaltungsakte ihre Verfügung enthält. Damit ist auch keine Verlängerung der Rechtsbehelfsfrist nach § 356 Abs. 2 Satz 1 AO gerechtfertigt. Somit besteht nur die Möglichkeit, auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 110 AO; § 56 FGO) zu gewähren.
Rz. 172
Wie zu verfahren ist, wenn eine Artfortschreibung zwangsläufig Auswirkungen auf die Höhe des Einheitswerts hat, aber die Wertgrenzen für eine Wertfortschreibung nicht erreicht sind, ist höchstrichterlich nicht geklärt.
Rz. 173
Beispiel:
Ein Grundstück mit einem 1973 errichteten massiven Wohngebäude ist auf den 1.1.1974 im Ertragswertverfahren als Einfamilienhaus mit einem Ei...