Dipl.-Finw. (FH) Wilfried Mannek
1. Typisierung der steuerlichen Bewertung
Rz. 11
Die Bewertungsregelungen des Bewertungsgesetzes orientieren sich an den allgemein geltenden Wertermittlungsgrundsätzen. Dennoch war es – wie bereits in der Vergangenheit – aus verwaltungsökonomischen Gründen unerlässlich, Typisierungen und Vereinfachungen zu realisieren. Einerseits hätte die Finanzverwaltung eine aufwändige Individualbewertung von Grundstücken angesichts der Vielzahl der zu bewertenden Grundstücken nicht leisten können. Andererseits wären dem Steuerpflichtigen die Kosten für eine derartige Individualbewertung nicht zuzumuten.
Rz. 12
Anders als bei der Verkehrswertermittlung von Grundstücken auf der Grundlage des Baugesetzbuchs darf wegen der Typisierungen bei der steuerlichen Bewertung des Grundbesitzes grundsätzlich auf eine Ortsbesichtigung und ein ausführliches Sachverständigengutachten verzichtet werden. Damit kommt die steuerliche Bewertung ohne die ansonsten obligatorischen Auswertungen von Grundbüchern, Katasterunterlagen, Bauleitplanungen, Bau- und Altlastenverzeichnissen oder aufwändigen Berechnungen von verschiedenen Nutzungsrechten aus.
2. Bewertungsniveau
Rz. 13
Bei einem steuerlichen Massenverfahren sind Typisierungen aus verfassungsrechtlicher Sicht grundsätzlich akzeptabel. Unzulässig wären jedoch solche Typisierungen, die dazu führen, dass ein Bewertungsverfahren in der überwiegenden Anzahl der Bewertungsfälle von vornherein lediglich ein am Verkehrswert gemessenes Bewertungsniveau in Höhe von 70–80 % erreicht, allein um Überbewertungen in einer geringen Anzahl von Fällen zu vermeiden.
Rz. 14
Die für Zwecke der Erbschaft-/Schenkungsteuer für Bewertungsstichtage nach dem 31.12.2008 geltenden Bewertungsregelungen streben den Ansatz des gemeinen Werts an. Das hat in der Praxis dazu geführt, dass die Typisierungen des Bewertungsgesetzes ein deutlich höheres Bewertungsniveau erreicht haben, als dies vor dem 1.1.2009 der Fall war. Belastbare Aussagen hinsichtlich des Bewertungsniveaus der aktuellen Bewertungsregelungen können jedoch nicht getroffen werden, weil entsprechende Auswertungen von Bewertungsergebnissen fehlen, die auf einer repräsentativen Stichprobe ausgewählter Fälle beruhen.
Rz. 15
Das Bundesverfassungsgericht geht in seinem Beschluss vom 7.11.2006 davon aus, dass nach der Bedarfsbewertung der §§ 145 ff. BewG lediglich ein Bewertungsniveau von durchschnittlich 70 % der Verkehrswert erreicht wurde. Wegen des höheren Bewertungsniveaus besteht für die Steuerzahler für Bewertungsstichtage nach dem 31.12.2008 zwangsläufig häufiger die Notwendigkeit des Nachweises eines niedrigeren gemeinen Werts.
Rz. 16
Dennoch wird mit dem Prinzip einer Öffnungsklausel, die die Möglichkeit des Nachweises des niedrigeren gemeinen Werts am Bewertungsstichtag einräumt, auch bei den im Einzelfall nicht zu vermeidenden Überbewertungen die verfassungsrechtliche Zulässigkeit von typisierenden Regelungen sichergestellt.
Rz. 17
Auswertungen innerhalb der Finanzverwaltung haben gezeigt, dass in über 10 % aller Fälle der Nachweis eines niedrigeren gemeinen Werts erfolgreich geführt wurde.
Rz. 18
Einstweilen frei.
3. Verweis auf das Baugesetzbuch
a) Grundlagen der Verkehrswertermittlung
Rz. 19
Die Öffnungsklausel des § 198 Abs. 1 BewG enthält den ausdrücklichen Hinweis, dass für den Nachweis des niedrigeren gemeinen Werts grundsätzlich die auf Grund des § 199 Abs. 1 BauGB erlassenen Vorschriften gelten.
Rz. 20
§ 199 Abs. 1 BauGB hat folgenden Wortlaut:
"Die Bundesregierung wird ermächtigt, mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung Vorschriften über die Anwendung gleicher Grundsätze bei der Ermittlung der Verkehrswerte und bei der Ableitung der für die Wertermittlung erforderlichen Daten einschließlich der Bodenrichtwerte zu erlassen."
Rz. 21
Mit diesem Verweis auf das Baugesetzbuch soll sichergestellt werden, dass der Steuerpflichtige im Wege des Nachweises des niedrigeren gemeinen Werts auf der Grundlage der Immobilienwertermittlungsverordnung vom 14.7.2021 die Möglichkeit erhält, sämtliche wertbeeinflussende Umstände bei der Ermittlung des gemeinen Werts geltend zu machen.
Mit der ImmoWertV 2021 vom 14.7.2021 wurden die bisherige ImmoWertV 2010 vom 19.5.2010 durch eine vollständig überarbeitete Immobilienwertermittlungsverordnung und ergänzende Anwendungshinweise abgelöst. Ebenso wurden folgende zur ImmoWertV 2010 vom 19.5.2010 ergangenen Richtlinien, die lediglich Empfehlungscharakter hatten, durch die neue ImmoWertV ...