1. Bewertungsgrundsatz: gemeiner Wert
Rz. 84
Das BewG 1965 enthält im Gegensatz zum BewG 1934 keine ausdrückliche Anordnung über die Bewertung der unbebauten Grundstücke. Eine solche Vorschrift ist auch nicht erforderlich, weil sich der Bewertungsmaßstab bereits aus § 9 BewG i.V.m. § 17 Abs. 3 BewG ergibt; denn § 9 BewG über die Anwendung des gemeinen Werts als allgemeine Bewertungsvorschrift des Ersten Teils des Bewertungsgesetzes gilt nach § 17 Abs. 3 BewG auch für den Zweiten Teil, soweit sich aus diesem Zweiten Teil nichts anderes ergibt.
Rz. 85
Die unbebauten Grundstücke sind somit mit dem gemeinen Wert i.S. des § 9 BewG zu bewerten. Der gemeine Wert wird durch den Preis bestimmt, der im gewöhnlichen Geschäftsverkehr nach der Beschaffenheit des Wirtschaftsguts (hier des Grundstücks) bei einer Veräußerung zu erzielen wäre. Dabei sind alle Umstände, die den Preis beeinflussen, zu berücksichtigen. Ungewöhnliche und persönliche Verhältnisse, zu denen auch Verfügungsbeschränkungen gehören, sind nicht zu berücksichtigen. Der gemeine Wert entspricht somit dem Verkehrswert.
2. Allgemeines zur Ermittlung des gemeinen Werts
Rz. 86
Bei der Ermittlung des gemeinen Werts eines unbebauten Grundstücks müssen alle tatsächlichen, rechtlichen und wirtschaftlichen Umstände berücksichtigt werden, die auf dem Grundstücksmarkt üblicherweise den Verkehrswert beeinflussen. In Betracht kommt hier vor allem die Art des Grundstücks, d.h. ob es sich um Rohbauland, baureifes Land, Industrieland, Land für Verkehrszwecke, Grünflächen und dgl. handelt. Von Bedeutung sind weiter die Verwertungs-(Bebauungs-)möglichkeiten, also welche Flächen bebaut werden dürfen, welche Flächen von der Bebauung ausgeschlossen sind und welche Flächen in der Bebauung einer Beschränkung (Art und Maß der baulichen Nutzung) unterliegen. Über all diese Fragen geben i.d.R. der Flächennutzungsplan, der Bebauungsplan und die Baunutzungsverordnung Auskunft. Der Grundstückswert wird ferner von der Lage, der Größe und der Gestaltung des Grundstücks beeinflusst. Lagemäßig ist z.B. von Bedeutung, ob das Grundstück an einer bereits ausgebauten Straße, in verkehrsgünstiger oder verkehrsungünstiger Lage sich befindet, ob es durch den Verkehrslärm beeinträchtigt wird oder in einer Villengegend liegt. Die Gestaltung eines Grundstücks wirkt sich auf seinen Wert insofern aus, als schmale und ungünstig geschnittene Flächen i.d.R. einen geringeren Wert haben. Den Wert beeinflussen auch die Tiefe eines Grundstücks und die Verwertungsmöglichkeiten eines größeren Hinterlandes. So darf z.B. für ein größeres Bauterrain nicht der gleiche Preis angesetzt werden, der für einen besonders günstig gelegenen Teil dieses Terrains erzielt worden ist.
3. Bewertungsgrundlagen: Kaufpreissammlung, durchschnittliche Werte (= Durchschnittswerte, Richtwerte)
Rz. 87
Die Bewertung des Grund und Bodens ist eine der schwierigsten Aufgaben einer Grundstücksbewertung. Deshalb haben die Finanzverwaltungen der Länder diesem Problem von jeher ihre besondere Aufmerksamkeit gewidmet. So wurden u.a. im Jahre 1956/57 zur Vorbereitung einer Neubewertung des Grundbesitzes umfangreiche Bodenwert-Richtlinien als übereinstimmende Ländererlasse herausgegeben. Diese Richtlinien enthalten u.a. Anordnungen über die Sammlung von Kaufpreisen, Aufstellung von Richtwertkarten und die Ableitung der Einzelwerte für das zu bewertende Grundstück aus den Richtwerten.
Rz. 88
Auszug: Sämtliche Kauffälle für unbebaute Grundstücke sind zu sammeln und in einer Kaufpreissammlung (Karteiform) zu erfassen. Kaufpreise, die durch ungewöhnliche oder persönliche Verhältnisse beeinflusst sind, sind zu bereinigen (Tz. 11, 14). Die in der Kaufpreissammlung bereinigten Kaufpreise sind in eine Bodenpreiskarte (Ortsplan) einzutragen. Die Bodenpreiskarten werden nicht auf einen bestimmten Zeitpunkt abgestellt, sondern enthalten die laufende Entwicklung der Preisverhältnisse, die sich in den einzelnen gezahlten Kaufpreisen widerspiegeln. Die Bodenpreiskarten geben also Aufschluss über die Entwicklung der Kaufpreise für einen längeren Zeitraum und können deshalb nicht unmittelbar für die Ermittlung der Bodenwerte für die einzelnen Grundstücke verwendet werden (Tz. 15). Die aus der Bodenpreiskarte abgeleiteten und auf einen Quadratmeter Vorderland abgestellten Richtwerte (auch durchschnittliche Werte genannt) sind in der Richtwertkarte in Wertstufen mit gleichen oder annähernd gleichen Werten zusammenzufassen. Sie umfassen jeweils die Richtwerte für normal geschnittene Grundstücke gleichartiger Gebiete, Straßen oder Straßenabschnitte. Individuelle Eigenschaften einzelner Grundstücke sind nicht zu berücksichtigen. Als solche können z.B. in Betracht kommen: Lage zur Himmelsrichtung, Grundstücksform, Abmessungen und Schnitt, Oberflächenbeschaffenheit, Baugrund, Vorhandensein von Grunddienstbarkeiten und Eckbaustellen (Tz. 20). Aus den Richtwerten (durchschnittlichen Werten) sind die Einzelwerte der Grundstücke, die der Einhe...