1. Zivilrecht: Schenkung in Benachteiligungsabsicht
Rz. 350
Der durch einen Erbvertrag gebundene Erblasser kann über sein Vermögen weiterhin frei verfügen (§ 2286 BGB). Deshalb kann er auch Schenkungen machen. Daraus erwächst dem Vertragserben selbst dann kein Schadensersatzanspruch aus § 826 BGB gegen den Erblasser, wenn der Erblasser und der Dritte kollusiv zusammenwirken. Auch ein Schadensersatzanspruch aus § 823 BGB kommt nicht in Betracht, weil der Vertragserbe kein Anwartschaftsrecht hat, das der Erblasser verletzen könnte.
Rz. 351
Hat der Erblasser jedoch in der Absicht, den Vertragserben zu beinträchtigen, eine Schenkung gemacht, so kann der Vertragserbe, nachdem ihm die Erbschaft angefallen ist, von dem Beschenkten die Herausgabe des Geschenks nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung fordern (§ 2287 Abs. 1 BGB). Der Anspruch geht primär auf Herausgabe des Geschenks (§ 812 Abs. 1 Satz 1 BGB), sekundär auf Wertersatz (§ 818 Abs. 2 BGB).
Rz. 352
Gegen Handlungen des Erblassers in Beeinträchtigungsabsicht geschützt ist auch ein Vermächtnisnehmer. Er hat einen Anspruch auf Wertersatz, wenn der Erbe außerstande ist, das Vermächtnis zu erfüllen, andernfalls einen Anspruch darauf, dass der Erbe ihm den Vermächtnisgegenstand verschafft. Hat der Erblasser den Gegenstand verschenkt und kann der Vermächtnisnehmer vom Erben keinen Ersatz erlangen, hat der Vermächtnisnehmer einen Anspruch auf Herausgabe des Geschenks gegen den Beschenkten nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung (§ 2288 BGB).
Auch der in einem gemeinschaftlichen Testament mit Bindungswirkung eingesetzte Schlusserbe oder Vermächtnisnehmer ist nach den §§ 2288, 2287 Abs. 1 BGB in analoger Anwendung geschützt.
2. Steuerrecht
a) Steuertatbestand
Rz. 353
Der Erbschaftsteuer unterliegt, was ein Vertragserbe – und seit 1.1.2009 was ein Schlusserbe eines gemeinschaftlichen Testamentes oder ein Vermächtnisnehmer – auf Grund beeinträchtigender Schenkungen des Erblassers (§ 2287 BGB) von dem Beschenkten nach den Vorschriften über die ungerechtfertigte Bereicherung erlangt. Der Gesetzgeber hat die Erweiterung damit erklärt, dass der Schlusserbe eines gemeinschaftlichen Testamentes in analoger Anwendung des § 2287 BGB einen ähnlichen Schutz seiner Rechtsstellung gegen beeinträchtigende Schenkungen des Erblassers genieße wie der Vertragserbe eines Erbvertrags. Die Änderung stelle klar, dass sein gegen den Beschenkten gerichteter Herausgabeanspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung als Erwerb von Todes wegen der Besteuerung unterliege. Entsprechendes gelte auch bei den den Vermächtnisnehmer beeinträchtigenden Schenkungen des Erblassers gem. § 2288 Abs. 2 BGB.
b) Vertragserbe
Rz. 354
Der Herausgabeanspruch des Vertragserben wird mit dem Erbfall erworben. Er gehört nicht zum Nachlass, sondern entsteht originär in der Person des Vertragserben. § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG erfasst diesen Erwerb daher nicht.
Gegenstand der Besteuerung ist nicht, was der Vertragserbe im Erbfall erlangt, also sein Anspruch gegen den Beschenkten. Besteuert wird, was er vom Beschenkten erlangt. Da der Anspruch gegen den Beschenkten nicht vom Beschenkten erworben wird, kommt es nach dem Wortlaut nicht auf den Erwerb des Anspruchs an, sondern auf seine Erfüllung. Erlangt ist daher, was der Erbe von dem Beschenkten erhält. Für diese Auslegung spricht ein Vergleich der Regelung mit § 3 Abs. 2 Nr. 3 ErbStG. Danach ist steuerpflichtig, was jemand dadurch erlangt, dass bei Genehmigung einer Zuwendung des Erblassers Leistungen an andere Personen angeordnet oder zur Erlangung der Genehmigung freiwillig übernommen werden. Hier bildet bereits ein Anspruch auf die Leistung den Gegenstand des Erwerbs. Dass die Steuerpflicht nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. j ErbStG mit der Geltendmachung des Anspruchs eintritt, ändert daran entgegen der h.M. nichts. Die Diskrepanz ist einer der Fälle, in denen der Steuertatbestand und die Steuerentstehung nicht aufeinander abgestimmt sind, so dass die Steuer entsteht, bevor der Tatbestand verwirklicht worden ist (s. dazu § 9 ErbStG Rz. 12 ff.).
3. Schlusserbe beim gemeinschaftlichen Testament
Rz. 355
Nach der Neufassung des Gesetzes mit Wirkung ab dem 1.1.2009 gilt § 3 Abs. 2 Nr. 7 ErbStG auch für den Anspruch eines Schlusserben. Dies wurde bis 31.12.2008 bereits so vom BFH gesehen, was an sich verwu...