A. Ursprung und Grundaussagen der Vorschrift
I. Entstehungsgeschichte
Rz. 1
Nach der ursprünglichen Fassung des § 1 BewG 1935 galten die allgemeinen Bewertungsvorschriften für die "Steuern des Reiches, der Länder, der Gemeinden, der Gemeindeverbände und der Religionsgesellschaften des öffentlichen Rechts, soweit sich nicht aus den Steuergesetzen oder dem Zweiten Teil dieses Gesetzes etwas anderes ergibt." Diese Fassung entsprach nach 1945 nicht mehr den veränderten Staats- und verfassungsrechtlichen Verhältnissen. Das Grundgesetz räumt dem Bund und den Ländern differenzierte Gesetzgebungszuständigkeiten ein. Dazu gehören:
Rz. 2
Der neuen Rechtslage entsprechend ist § 1 BewG 1935 durch Art. 1 Nr. 1 BewÄndG 1965 neu gefasst worden. Durch diese Neufassung konnte § 1 BewG 1935 aber nur insoweit geändert werden, als diese Vorschrift Bundesrecht geworden ist. Deshalb beinhaltet die Neufassung des § 1 Abs. 1 BewG nur den Geltungsbereich der allgemeinen Bewertungsvorschriften für alle öffentlich-rechtlichen Abgaben, die durch Bundesrecht geregelt sind, soweit sie durch Bundesfinanzbehörden oder durch Landesfinanzbehörden verwaltet werden.
Rz. 3
Für die öffentlich-rechtlichen Abgaben, die der Landesgesetzgebung unterliegen und durch Landesfinanzbehörden verwaltet werden, gelten die allgemeinen Bewertungsvorschriften als Landesrecht weiter. Dem jeweiligen Landesgesetzgeber ist es jedoch überlassen, Änderungen, die der Bund bei den allgemeinen Bewertungsvorschriften vornimmt, im Rahmen seiner Gesetzgebung zu übernehmen. Die Länder haben in den sog. AO-Anwendungsgesetzen bestimmt, dass die allgemeinen Bewertungsvorschriften des BewG in ihrer jeweiligen Fassung auch für die landesrechtlich geregelten und durch Landesfinanzbehörden verwalteten Abgaben gelten sollen.
Rz. 4– 10
Einstweilen frei.
II. Zweck der Vorschrift
Rz. 11
§ 1 BewG regelt den Anwendungsbereich der Bewertungsvorschriften des BewG. Zum einen wird die Anwendbarkeit des BewG vor dem Hintergrund der im Grundgesetz festgelegten differenzierten Gesetzgebungszuständigkeiten festgelegt, vgl. § 1 Abs. 1 BewG. Die Regelung kodifiziert zum anderen die allgemein üblichen Entscheidungen zwischen allgemeiner und spezieller Regelung. Dabei beschränkt sie sich aber nicht nur auf das Verhältnis zwischen dem allgemeinen und besonderen Teil des BewG, sondern regelt zusätzlich den Anwendungsbereich zu den übrigen Steuergesetzen, vgl. § 1 Abs. 2 BewG.
Rz. 12
Im Ergebnis soll durch die in § 1 BewG geregelte weite Anwendbarkeit des BewG eine Durchdringung der einschlägigen gesetzlichen Regelungen mit identischen Wertmaßstäben verwirklicht werden. Das Ziel einer möglichst einheitlichen Bewertung lässt sich m.E. durch eine maßgebliche Ausrichtung der Bewertung am tatsächlichen Wert in Form des Verkehrswerts (gemeiner Wert, fair value, etc.) verwirklichen. Gesetzliche Anpassungsmaßnahmen der Vergangenheit bestätigen diese Einschätzung (z.B. § 6 EStG, § 12 ErbStG, §§ 138 ff. BewG, §§ 157 ff. BewG, §§ 218 ff. BewG).
Rz. 13
Die Vorschriften des BewG sollen keine Werte bzw. Wertmaßstäbe eigener Art genieren. Aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung können jedoch typisierende Verfahren einen vom Verkehrswert abweichenden Steuerwert hervorbringen.
Rz. 14– 15
Einstweilen frei.
III. Allgemeines
Rz. 16
Das BewG gliedert sich in drei (Haupt-)Teile:
- Erster Teil (§§ 1–16 BewG) Allgemeinen Bewertungsvorschriften
- Zweiter Teil (§§ 17–263 BewG) Besonderen Bewertungsvorschriften
- Dritter Teil (§§ 264–266 BewG) Übergangs- und Schlussvorschriften.
Die besonderen Bewertungsvorschriften des zweiten Teils unterteilen sich weiter in die folgenden Abschnitte: