Richtlinien:
R B 12.1–12.4 ErbStR 2019
Schrifttum:
Bachem, Bewertung von überverzinslichen Geldleistungsverbindlichkeiten, DStR 1999, 773; Böhm, Darlehen beim Tod des Darlehensnehmers, ZEV 2002, 337; Brosch, Das Disagio im Bewertungsrecht, DB 1984, 1696; Ebeling, Schenkung einer wertlosen Forderung mit Besserungsabrede – Gegenstand einer Schenkung, ZEV 2009, 416; Fiedler, Die Besteuerung der unentgeltlichen Übertragung von Lebensversicherungsverträgen, DStR 2000, 533; Grewe, Aufschiebend bedingte Rentenlast nicht abzuzinsen, ErbBstg 2022, 31; Halaczinsky, Allgemeiner Teil des Bewertungsgesetzes: Bedeutung im Steuerrecht, UVR 2014, 83; Jüptner, Private Steuererstattungsansprüche und Erbschaftsteuer, UVR 2008, 180; Neu, Abzinsung unverzinslicher Gesellschafterdarlehen – Restlaufzeit von Kettendarlehen, EFG 2009, 76; Knittel Grundsätze der schenkungs- und erbschaftsteuerlichen Bewertung nach Assetklassen, ErbStB 2020, 195, 220; Marfels, Die Bewertung von Kapitalforderungen und -schulden nach § 12 Abs. 1 bis 4 BewG für Zwecke der Erbschaftsbesteuerung, ErbStB 2017, 239; Pondelik: Steuerfalle zinsloses Darlehen SteuK 2013, 423; Sedlaczek, Bewertung eines unverzinslichen Rahmenkredits mit dem Nennwert, ErbBstg. 2000, 40; Stahl, Die Abzinsung bei zinslosen Kapitalforderungen im Privatvermögen in Einkommen- und Schenkungsteuer, DStR 2018, 2605.
A. Grundaussagen und historische Daten der Vorschrift
I. Inhalt und Anwendungsbereich
Rz. 1
§ 12 BewG ist eine reine Bewertungsvorschrift. Die Vorschrift regelt, wie Kapitalforderungen und Schulden sowie noch nicht fällige Ansprüche aus Lebens-, Kapital- und Rentenversicherungen zu bewerten sind, wenn feststeht, dass sie steuerlich zu erfassen bzw. abzusetzen sind. Die Frage, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen Kapitalforderungen und noch nicht fällige Ansprüche aus Lebens-, Kapital- oder Rentenversicherungen bei der Besteuerung zu erfassen und Schulden abzuziehen sind, ist nach den hierfür in Betracht kommenden Vorschriften zu entscheiden. Kapitalforderungen können nur erfasst und Schulden nur abgezogen werden, wenn sie im maßgebenden Veranlagungszeitpunkt schon entstanden und noch nicht getilgt sind. Die Fälligkeit und der Zeitpunkt der Geltendmachung einer Forderung bzw. Schuld sind nicht entscheidend für deren Ansatz. Auch ist nicht erforderlich, dass die Forderung oder Schuld der Höhe nach feststeht; sie ist ggf. zu schätzen (§ 162 AO).
Rz. 2
Schulden und Lasten sind grundsätzlich nur abzugsfähig, wenn zu deren Erfüllung eine rechtliche Verpflichtung besteht. Die Rechtsprechung hat darüber hinaus den Abzug des Kapitalwertes wiederkehrender Leistungen zugelassen, wenn die Leistungen zwar ohne Rechtsverpflichtung, aber unter Umständen er folgen, aus denen entnommen werden kann, dass sich der Leistende den in einem bestimmten Umfang tatsächlich erbrachten Leistungen nicht entziehen kann.
Rz. 3
Andererseits können solche Schulden und Lasten steuerlich nicht berücksichtigt werden, die zwar rechtsgültig übernommen sind, aber am maßgebenden Stichtag keine ernstzunehmende wirtschaftliche Last bedeuten. Das trifft z.B. zu, wenn der Schuldner gar nicht ernstlich damit zu rechnen hat, dass die Forderung vom Gläubiger eingefordert wird. Der vorstehend angeführte Grundsatz ist auch dann entsprechend anzuwenden, wenn abweichend von der bestehenden rechtlichen Verpflichtung wirtschaftlich eine Last besteht, die geringer oder höher ist, als die nach bürgerlichem Recht vereinbarte Verpflichtung.
Rz. 4
§ 12 BewG gilt als Teil der "Allgemeinen Bewertungsvorschriften" nach § 17 Abs. 3 BewG für alle Vermögensarten, es sei denn, dass für die Bewertung einzelner Vermögensarten in den nachstehenden Vorschriften etwas Abweichendes geregelt.
Rz. 5– 6
Einstweilen frei.
II. Rechtsentwicklung
Rz. 7
§ 12 BewG 1965 hat Vorläufer in § 143 AO 1919, § 16 BewG 1931 und § 14 RBewG 1934.
Rz. 8
In Absatz 1 wurde Satz 2 durch Art. 3 Nr. 2 des Zinsabschlaggesetzes v. 9.11.1992 mit Wirkung vom 13.11.1992 angefügt. Diese Ergänzung bezweckt eine erhebliche Vereinfachung bei der Bewertung von Kapitalforderungen und Kapitalschulden, die eine vom Üblichen abweichende Verzinsung aufweisen.
Rz. 9
Absatzes 3 über die Berücksichtigung der Unverzinslichkeit wurde mehrfach geändert. Nach dem BewG 1931 war der wegen einer Unverzinslichkeit abzuziehende Betrag unter Anwendung der sog. Hoffmann’schen Formel zu ermitteln. Nach dem RBewG 1934 war der Betrag anzusetzen, der nach Abzug von Jahreszinsen iH von 5,5 % des Nennbetrags bis zur Fälligkeit verblieb. Die Neufassung des Absatzes 3...